Becketts "Endspiel" - inszeniert von Anne Lenk

Samuel Becketts „Endspiel“ mit Oliver Nägele und Franz Pätzold im Residenztheater
| Mathias Hejny
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Das "Endspiel" im Residenztheater.
Thomas Aurin 2 Das "Endspiel" im Residenztheater.
Das "Endspiel" im Residenztheater.
Thomas Aurin 2 Das "Endspiel" im Residenztheater.

Nichts gibt’s mehr. Der letzte Brei ist aufgegessen, die Beruhigungspillen sind geschluckt, draußen scheint die Sonne schon lange nicht mehr und selbst an Särgen fehlt es.

Als das Stück uraufgeführt wurde, war die letzte Apokalypse gerade erst zwölf Jahre her. In den Städten Europas waren die Spuren des Kriegs noch zu sehen und die Menschheit hatte wirkungsvoll mit der Atombombe gespielt. Das „Endspiel“ war trotz seiner absurden Metaphysik auch so etwas wie ein aktuelles Zeitstück, mit dem der in Paris lebende Ire Samuel Beckett das gerade überwundene Grauen buchstäblich zu Ende dachte: Die vier letzten Menschen warten auf das Ende der Welt.

Lesen Sie auch unser Interview mit Anne Lenk

Der blinde und gelähmte Hamm haust zusammen mit seinem sklavenartig gehaltenen Diener Clov und den beinlosen Eltern Nell und Nagg in einem unterirdischen Bunker. Der gehbehinderte Clov klettert immer wieder zu den Fenstern in der Höhe, um den immer gleichen Bericht über die Lage zu erstatten: „Alles ist aus“. Herr und Diener spielen sich die gesamte menschliche Existenz mit ihren gegenseitigen Abhängigkeiten, Ängsten und Wünschen vor. Zu diesem Existieren gehören auch die Kunst im Allgemeinen und das Theater im Besonderen.

Hier setzt Anna Lenk für ihre Inszenierung im Residenztheater an: Wir spielen. Wenn Clov die nicht vorhandenen Leitern zu den Ausgucken erklimmt, macht er das mit Pantomime alter Schule wie einst Marcel Marceau. Auch die Wände der Zufluchtsstätte sind nur pantomimisch markiert. Franz Pätzold drückt gewissenhaft die imaginäre Klinke herunter, bevor er die Tür öffnet und sie durchschreitet. Dann schließt er sorgfältig die Tür wieder, bleibt aber im Halbdunkel am Rand der Bühne sichtbar und wartet auf den nächsten Auftritt. Nicht einmal der Stoffhund, den Beckett seinen traurigen Endzeit-Clowns noch gönnte, ist übrig.

Die machen nur Theater

Clov übernimmt auch die Rolle des Kuscheltiers munter kläffend und das steife Bein immer abgespreizt. Oliver Nägele thront als Hamm in all seiner Mächtigkeit auf einem XXL-Chefsessel und dominiert von dort aus den sich scheinbar in unendlicher Schwärzer ausweitenden Raum (Bühnenbild: Judith Oswald) bildfüllend. Sein Selbstmitleid wie seine mitleidlosen Herrscherattitüden sind großartige Schauspielnummern wie das gesamte Zusammenspiel von Nägele und Pätzold.

Aber das ist auch die entscheidende Schwäche des Endspiels, das Anne Lenk spielt. Auf den ersten Blick ist es eine zauberhaft altmodische Interpretation eines modernen Klassikers. Das Gegenwärtige an den gut eineinhalb Stunden ist aber vor allem die in jüngerer Zeit in den Theatern ausgebrochene Egozentrik.

Auch bei Lenks Beckett ist das Theater sich selbst genug und verliert sich in intensivem Selbstgespräch. Kostümbildnerin Sibylle Wallum verkleidet dazu die vier Figuren mit Textilien, die hübsch anzuschauen sind und irgendwo zwischen 18. und frühem 20. Jahrhundert herumhistorisieren. Vom Rückzug auf Bretter, die nicht einmal mehr die Welt bedeuten, bleiben auch die ikonographisch gewordenen Mülltonnen nicht verschont, in denen Nell (Ulrike Wllenbacher) und Nagg (Manfred Zapatka) leben. Die verstümmelten Greise werden von der Untermaschinerie durch eine Klappe im Boden hochgefahren und stecken in schwarzen Mülltüten, die sie sich zurechtzupfen wie vor dem Start zum Sackhüpfen.

Selbstverständlich zeigt das gesamte Quartett dabei Präzisionsschauspielerei und Edelkomödiantik, die dennoch kein Interesse am Weltuntergang wecken. Die machen nur Theater.     

Residenztheater, wieder am 23. und 29. November sowie am 1., 6. und 12. Dezember, 20 Uhr, Karten unter Telefon 21851940

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