Blomstedt dirigiert Brahms

Herbert Blomstedt und die Staatskapelle Dresden überzeugen mit Brahms in der Gasteig-Philharmonie
| Felicia Englmann
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Der Dirigent Herbert Blomstedt.
dpa Der Dirigent Herbert Blomstedt.

Wenn Herbert Blomstedt bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden Brahms dirigiert, kann eigentlich nichts schiefgehen. Die Symphonie Nr. 1 und das erste Klavierkonzert hat er dort schon Mitte der 70er-Jahre aufgeführt, als der aktuelle Chefdirigent Christian Thielemann noch zur Schule ging. Als ehemaligem Chef- und jetzigem Ehrendirigenten ist Blomstedt das Orchester ebenso vertraut wie Brahms’ Werke, die er weltweit zu Aufführung gebracht hat. Und dem Publikum gefällt Brahms sowieso.

Blomstedt und die Dresdner setzen also bei ihrer Deutschland-Tournee auf Sicherheit. Beim Konzert in der Philharmonie des Gasteig entfaltet sich von den ersten Takten an volltönender Wohlklang. Pianist Leif Ove Andsnes präsentiert eine geradlinige, schlanke Interpretation von Brahms’ Klavierkonzert Nr. 1, indem er auf dunkles Pathos verzichtet und lyrische Momente ganz gezielt und dosiert als solche gestaltet.

Klang als Skulptur

Der zweite Satz – Brahms hat ihn als sanftes Porträt seiner Geliebten Clara Schumann angelegt – wird deutlich eingetrübt: Von Zuspätkommern, die noch in den Saal tapern dürfen, von einem pfeifenden Störgeräusch und einem Handyklingeln. Absolute Sicherheit gibt es also nicht. Aber die Künstler lassen sich nicht aus dem Konzept bringen.

Blomstedt gestaltet den Klang wie eine Skulptur. Er kann aus dem Vollen schöpfen, die Musiker folgen ihm auf die kleinste Geste. Mit fließenden Bewegungen gestaltet er klangliche Formen und Oberflächen, die auch mal spröde sein dürfen, glättet wieder, formt neu. Im dritten Satz gibt er das sanft herausgearbeitete Thema mit leichter Hand ans Klavier weiter.

Brahms hat bei diesem Klavierkonzert lange mit sich gerungen, ob er seine kompositorische Idee bei einer Sonate belassen oder diese zu einer Sinfonie oder doch einem Konzert weiterentwickeln sollte. Drei Jahre dauerte es, bis er mit seiner Lösung zufrieden war. An seiner Ersten saß er sogar noch länger, von Zweifeln geplagt warf er das Konzept immer wieder über den Haufen, legte das Werk zur Seite, um es dann doch nach insgesamt 14 Jahren fertigzustellen.

Aus der Fülle

Von künstlerischen Konflikten, von innerem Ringen und vom Kampf ums Werden ist in der Interpretation Blomstedts nichts zu hören. Er stellt die Werke mit der Staatskapelle in klanglicher Fülle dar, vielschichtig und mehrdimensional, aber immer in Wohlfühlatmosphäre. Brahms’ Musik hat hier den Charakter eines Kaminfeuers, mal lichterloh brennend, mal mit kleiner Flamme, mal mit wunderschön auflodernden Holzbläsern, aber immer im Rahmen der Feuerstelle bleibend, schön warm und heimelig. Drama und Dunkelheit sind durch das Feuer nicht weg, aber sie sind zur Ungefährlichkeit überstrahlt. Das ist Brahms zum Auskosten, zum Schwelgen, zum Zurücklehnen und Genießen. Sogar Herbert Blomstedt wiegt sich beim Dirigieren ein wenig.

Bei allem Schönklang bleibt die Komplexität der Symphonie hörbar. Blomstedt arbeitet die Stimmungen und Motive heraus, lässt sie aufleuchten und wieder vergehen, schafft mit den Bläsern berückend schöne Momente. Die dramatischen Pizzicato-Passagen bringt er zur Einleitung des vierten Satzes genau auf den Punkt, um das Orchester dann in ein Finale zu führend, bei dem es seine gesamte Klangbrillanz zeigen darf.

Anders als bei den vorherigen Tourneestationen in Düsseldorf und Berlin gibt es in München keine Zugaben. Das Publikum ist durchaus angetan, gerade von Blomstedts bescheidener Art, bleibt beim Applaus aber im Gemütlichkeitsmodus.    

Am 30. und 31. Mai dirigiert Herbert Blomstedt das BR-Symphonieorchester im Herkulessaal

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