Flugzeug mit Ionenmotor: Fliegen wie bei Star Trek

Wer durch die Lüfte gleiten und nicht abstürzen will, braucht Auftrieb. Diesen liefern entweder große gasgefüllte Körper wie beim Heißluftballon oder Zeppelin – oder geeignet geformte Tragflächen, die schnell genug von Luft umströmt werden, wie bei einem Flugzeug, einem Helikopter oder einer Drohne. Nun verbindet man das lautlose Schweben eher mit Ballons, während die Düsentriebwerke, Propeller und Rotoren der übrigen Maschinen für deutliche Geräuschemissionen sorgen. All diese Triebwerke teilen eine grundlegende Eigenschaft: Sie wandeln die chemische Energie eines Treibstoffs oder einer Batterie in Rotationsenergie um, beschleunigen über Drehflügel die Umgebungsluft und sorgen so für Vortrieb. Man könnte aber auch auf ganz andere, lautlose Weise den nötigen Wind machen: Schon Ende des neunzehnten Jahrhunderts haben Forscher sich Gedanken über die Geschwindigkeit von Ionen gemacht, die man mit Hilfe der damals neuentdeckten Röntgenstrahlen in Luft erzeugen konnte. Es kostet zwar eine gewisse Energie, Luftteilchen zu ionisieren, indem man ihnen ein oder mehrere Elektronen entreißt und sie dadurch zu positiv geladenen Teilchen macht. Aber ist dies erst einmal geschehen, lassen sie sich in einem elektrischen Feld beschleunigen. Forscher des Massachusetts Institute of Technology haben diese Idee nun aufgegriffen und das erste Flugzeug gebaut, das einzig elektrisch geladene Drähte als „Motor“ nutzt. Im Journal „Nature“ beschreiben sie, dass ihr Apparat keinerlei beweglichen Teile besitzt, sondern nur eine Batterie und ein Hochspannungssystem. Ihre Leichtbaukonstruktion wiegt knapp 2,5 Kilogramm bei einer Flügelspannweite von fünf Metern. Fliegen mit Hochspannung In der Atmosphäre liegen zwar vereinzelt Ionen vor, die unter anderem durch die kosmische Strahlung und die natürliche Umgebungsradioaktivität entstehen. Es sind aber viel zu wenige, um damit einen nennenswerten Luftstrom hervorzurufen. Die Wissenschaftler nutzten deshalb Entladungsreaktionen, um einen messbaren Ionenwind zu erzeugen. Unter die Flügel spannten sie mehrere Lagen Hochspannungsdrähte, wobei sie an den vorderen, kleinen Drähte 20 Kilovolt positiver Spannung anlegten, während die breiteren hinteren Kollektorelektroden mit 20 Kilovolt negativ geladen waren. Aufgrund des geringen Durchmessers der vorderen Drähte war hier das elektrische Feld besonders stark: Elektronen in der Nähe wurden so stark in Richtung der Drähte beschleunigt, dass sie Luftatome ionisieren konnten. Dies setzte weitere Elektronen frei, die wiederum andere Luftatome ionisierten, so dass sich eine selbsterhaltende Entladungsreaktion herausbildete. Die erzeugten Ionen erfuhren eine anziehende Kraft von den weiter hinten liegenden Kollektorelektroden, so dass sich ein Ionenwind unterhalb der Tragflächen herausbildete, der das Flugzeug mit einer Kraft von drei Newton antrieb – was etwa der Gewichtskraft von drei Tafeln Schokolade entspricht. Die Forscher testeten dieses „elektroaerodynamische“ Flugzeug in einer rund sechzig Meter langen Halle. Bei einer Flughöhe von etwa einem halben Meter schwebte das „Ionenflugzeug“ quer durch den gesamten Raum. Diese Distanzen entsprechen ungefähr den ersten Versuchen mit konventionellen Fluggeräten – nur dass damals ein Pilot an Bord saß. Leise und wartungsfrei Nun darf man gespannt sein, wie sich dieses Gebiet der Ionenfliegerei weiter entwickeln wird. Die Forscher sehen in der absoluten Geräuschlosigkeit und der Wartungsfreiheit ihres rotorlosen Systems große Vorteile. Damit ließen sich in der Zukunft etwa unangenehme Drohnengeräusche verringern. Ob sich nun ausgerechnet ein Hochspannungsgerät im urbanen Lieferverkehr durchsetzen wird, bleibt doch abzuwarten. Und der Schub des Ionenstroms ist noch viel zu gering, um damit größere Lasten transportieren zu können. Gewiss gibt es Verbesserungspotenziale: Nach theoretischen Berechnungen könnte die Effizienz des Antriebs bei höheren Geschwindigkeiten nochmals deutlich steigen. Die Forscher haben die heute erhältliche Hochspannungstechnik jedoch weitestgehend ausgereizt. Es ist aber möglich, dass diese Technologie vielleicht Nischenanwendungen erobert. Denkbar sind etwa robuste unbemannte Höhenforschungsflugzeuge oder vielleicht auch Kombinationen mit herkömmlicher Technik, etwa um den Luftstrom gezielt zu beeinflussen. In den sechziger bis neunziger Jahren gab es bereits Versuche, propellerlose Schiffe mit einem ebenfalls auf Ionen basierenden magnetohydrodynamischen Antrieb auszustatten. Gerade für U-Boote würde dies einen deutlichen Vorteil bedeuten, da sie damit wesentlich leiser würden. Im Gegensatz zum Flugzeugbau spielt hier auch das Gewicht eine geringere Rolle. Aufgrund der geringen Leistung und der notwendigen enormen Stromflüsse sind diese Versuche aber nie über den Status von Prototypen hinausgekommen.