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Städtereise nach Norwegen Warum Oslo auch im Winter zum Trendreiseziel wird

Begehbare Kulturstätte in Oslo: Wie ein riesiger Eisberg liegt das Opernhaus im Hafen
Begehbare Kulturstätte in Oslo: Wie ein riesiger Eisberg liegt das Opernhaus im Hafen
© Getty Images
Wenn die Nächte lang und die Tage kälter werden, lebt Oslo erst so richtig auf. Vor allem seitdem sich die Hafenstadt mit aufregender Architektur zum Fjord hin öffnet.

Wenn die Leute im Spätherbst in Shorts und T-Shirt unterwegs sind, wenn sie die Abende im Klappstuhl auf ihren Yachten verbringen oder bis in die Nacht vor den Cafés am Kai ausharren – dann muss es wohl Oslo sein. Die Norweger sind noch härter drauf als die Finnen oder Schweden: 14 Grad, 12 Grad, nicht mal bei 10 Grad Celsius werden ihnen die Lippen blau. Vielleicht liegt es an den Genen: Erik der Rote, Fridtjof Nansen und Roald Amundsen eroberten das ewige Eis und trotzten den Polarmeeren – alles ohne Heizpilz.

Wir sind ein kleines Land, aber groß auf dem Meer, so heißt es in Norwegen. Schon deshalb rät Åsa Nes, 52, allen Besuchern, sich ihrer Stadt von der See her zu nähern. "Es ist die schönste Art." Von ihrem Büro aus blickt die Hafendirektorin auf den Oslofjord, wo Dutzende kleiner Inseln auf dem bleigrauen Wasser zu treiben scheinen. Direkt unter ihrem Büro legten früher die Transatlantikschiffe der Norske Amerikalinje an, ehe sie Kurs auf New York nahmen, an Bord viele Auswanderer. Heute nutzen den Pier 1 vor allem die Ausflügler von den Kreuzfahrtschiffen und Zuwanderer aus Osteuropa: Unter den Fenstern von Åsa Nes angeln sie nach Hering und Sprotten.

Mit Schiffen hat Oslos Hafendirektorin kaum zu tun

Die Hafendirektorin ist oft mit ihrer signalroten Jacke auf dem Rad unterwegs, sie arbeitet entweder mit dem oder gegen den Wind, grelles Sonnenlicht oder fiesen Schrägregen – eine gewisse Wettertrotzigkeit sieht man ihr an. Mit Schiffen hat sie kaum zu tun, sie ist vielmehr dafür zuständig, dass es zwischen all dem frischen Beton in den ehemaligen Hafenvierteln auch mal grün und lustig zugeht.

Zu ihren Lieblingsprojekten gehört der Indoor-Skaterpark "Skur 13" am Filipstad-Kai, ein ehemaliges Lagerhaus, in dem früher zunächst Bananen, dann Pappen lagerten. Ein "Riesenerfolg" sei der Umbau, sagt Åsa Nes, mit einem kleinen Makel: "Es kommen fast nur junge Männer." Nun rätselt sie noch, wie sie auch Mädchen ans Wasser locken kann. "Für Pferde ist am Hafen leider kein Platz."

Das Projekt Fjord City

Um 1980 herum begannen norwegische Finanzpolitiker sich zu fragen, wohin mit all den Petro-Kronen, die durch riesige Ölfelder in die Staatskassen gespült wurden. Eine der Entscheidungen fiel zugunsten der Hauptstadt, in der es kaum Restaurants oder Boutiquen gab, dafür aber Absturzbars und traditionsreiche Werften, die für den Bau von Supertankern und Ölplattformen zu klein geworden waren. Schnellstraßen und Bahngleise schnitten den Hafen von der Innenstadt ab, der Fjord lag so nah wie unerreichbar. Oslo, die hässliche Schwester Kopenhagens und Stockholms, sollte sich zum Meer hin öffnen.

Die Schwedin Åsa Nes kam 1990 nach Oslo, ihr Mann ist von hier. Sie erlebte mit, wie die Idee von der "Fjord City" Gestalt annahm, wie sich der Hafen von einer dreckigen Industrielandschaft in saubere Flaniermeilen verwandelte. Containerhäfen und Raffinerien wurden in Richtung Süden verpflanzt, Straßen verschwanden in Tunneln, Lagerhallen wichen Büro- und Wohnhäusern, Museen, Parks. Nes muss ihre Stimme kräftig anheben, wenn sie erzählt. Seit Sonnenaufgang pfeift der Wind durch die Takelagen der Segelboote in der Marina von Aker Brygge, er bringt die Fender zum Quietschen und macht die Möwen kirre, ein schriller Sirenengesang.

Das Astrup Fearnley Museum zog 2012 in einen Neubau am Fjord
Das Astrup Fearnley Museum zog 2012 in einen Neubau am Fjord

Das ehemalige Werftgelände Aker Brygge mit den Restaurants, Luxuswohnungen und der Glasarchitektur machte den Anfang. Das fantastische Bauwerk des Opernhauses (2008), das wie eine Eisscholle aus Carrara-Marmor am Ufer liegt, und der großartige Neubau des Architekten Renzo Piano (2012), in den das Astrup Fearnley Museum zog, sandten Signale in die Welt.

"Für Architekten und Stadtplaner war die Fjord City ein Traum", sagt Nes, doch der Prozess zog sich hin, es gab Widerstände gegen die Kommerzialisierung und die zumeist teuren Eigentumswohnungen.

Baden im kalten Wasser

Mittlerweile haben die meisten Einwohner die neuen Stadtteile akzeptiert, wenn nicht in ihr Herz geschlossen: In Bjørvika wurden erschwingliche Wohnungen von Familien bezogen und etwa die Hälfte der 20.000 geplanten Arbeitsplätze geschaffen. Der ehrgeizige Bau der Deichman-Bibliothek schreitet voran. In Sørenga stürmten im Sommer täglich bis zu 30.000 Besucher das Meerwasserfreibad, um am Sandstrand zu planschen, vom Turm zu springen, sich auf den Decks zu sonnen. "Vor hundert Jahren hätte kein Mensch in Oslo nur seinen Zeh ins Wasser gehalten, so dreckig war es", sagt Nes. Der Hafenschlick wurde ausgebaggert, das Regenwasser wird heute in Reinigungswerke gepumpt.

In Oslo leben derzeit 670.000 Menschen, in zehn Jahren sollen es 800.000 sein. Die Sorge, Klimawandel und steigende Meeresspiegel könnten die Häuser am schönen neuen Ufer eines Tages unter Wasser legen, ist bemerkenswert gering. "Oslo liegt auf einem Bergmassiv, das sich jedes Jahr ein bisschen hebt. Das macht hoffentlich den Wasseranstieg wett", sagt Nes.

Winterliche Szene am Oslo-Fjord: Spaziergänger beobachten das Auslaufen einer Fähre.
Winterliche Szene am Oslo-Fjord: Spaziergänger beobachten das Auslaufen einer Fähre.
© Getty Images

Wenn spätestens 2030 auch die letzten Milliardenprojekte fertig sind, wird eine neun Kilometer lange Hafenpromenade zwischen Frognerstranda und Grønlia zum Spaziergang oder zur Radtour einladen. Sechs Kilometer sind es jetzt schon, gesäumt von schwimmenden Saunen und Badestellen, in jeder Bucht öffnen sich neue Aussichten auf abenteuerliche Architektur oder Segelyachten, den putzigen Leuchtturm und die Inseln.

Am Mittag hat die Sonne gegen Wolken und Wind gesiegt, die See liegt spiegelglatt, und ein paar Schulklassen sind mit der Fähre zur Insel Hovedøya mit ihren kleinen Sandstränden übergesetzt. An einem von ihnen macht ein Trupp Zweitklässler im klaren Wasser Jagd auf Feuerquallen und die Reste des Sommers: Haarspangen, Badesandalen, ein Lätzchen. Ein junger Mann, der seiner schwangeren Freundin imponieren will, steht bis zu den Knien im Wasser. Zwölf Grad?, fragt sie. Zehn Grad, sagt er. Dann traut er sich bis zur Brust rein, ganz ohne Gestöhn. Ein Norweger.

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