WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geld
  3. Immobilien
  4. Architekt Stefan Foster: „100 Prozent Grunderwerbsteuer für ausländische Käufer“

Immobilien Hochhäuser

„Dadurch wird die soziale Spaltung in Städten noch weiter vertieft“

Wohnhochhäuser bieten viel Platz auf wenig Fläche – doch vor allem ausländische Investoren kaufen sie Wohnhochhäuser bieten viel Platz auf wenig Fläche – doch vor allem ausländische Investoren kaufen sie
Wohnhochhäuser bieten viel Platz auf wenig Fläche – doch vor allem ausländische Investoren kaufen sie
Quelle: picture alliance / imageBROKER
Hochhäuser sollen dazu beitragen, die Wohnungsnot in Deutschland zu mindern. Architekt Stefan Forster hält sie jedoch für zu teuer und elitär. Stattdessen schlägt er eine andere Lösung vor.

Handverlesene Gäste, strenge Sicherheitsvorkehrungen, absolute Geheimhaltung des Preisträgers – bei der Verleihung des Internationalen Hochhauspreises, der gerade wieder in der Frankfurter Paulskirche vergeben wurde, orientiert man sich an der Oscarverleihung. Diesmal ging die Auszeichnung für das weltweit innovativste Hochhaus, ausgelobt von der Stadt Frankfurt, der Deka-Bank und dem Deutschen Architekturmuseum, nach Mexiko City.

Der Torre Reforma, ein 246 Meter hoher, brutalistisch anmutender Büroturm mit abgeschrägtem Dach, wurde entworfen vom mexikanischen Architekten Benjamín Romano und von der Jury besonders für seine erdbebensichere Tragwerkskonstruktion gelobt.

Doch weder die Zeremonie noch die prämierten Hochhäuser beeindrucken Stefan Forster. Der Frankfurter Architekt, Inhaber eines der führenden deutschen Wohnungsbaubüros, erläutert im Interview, warum er Hochhauspreise für überflüssig hält und Hochhäuser grundsätzlich für eine überschätzte Spezies.

WELT: Was haben Sie gegen den Internationalen Hochhauspreis, Herr Forster?

Stefan Forster: Das ist ein Preis, den wirklich niemand braucht. Er dient ausschließlich dem Ego der Architekten, der Immobilienwirtschaft und dem Image der Stadt Frankfurt als Hochhausstadt. Einen Beitrag zur Lösung der Wohnungsmisere in den deutschen Großstädten kann das Hochhaus nicht leisten.

WELT: Das müssen Sie näher erklären.

Forster: Wegen seiner hohen Bau- und Investitionskosten ist dieser Bautyp unweigerlich ein Kostentreiber. Bereits ab einer Höhe von 22 Metern gilt hierzulande die Hochhausrichtlinie, nach der ein zweites Treppenhaus als Sicherheitstreppenhaus und ein zusätzlicher Feuerwehraufzug vorgesehen werden muss. Ab 60 Metern wird vom Gesetzgeber ein weiteres Sicherheitstreppenhaus verlangt.

Anzeige

Hinzu kommen beim Hochhausbau noch die Einrichtung einer Großbaustelle mit entsprechend tiefer Gründung, die aufwendige Statik und meist auch eine umfangreiche technische Infrastruktur. Wohnhochhäuser können daher prinzipiell nur das obere Segment bedienen.

WELT: Aber können ökologisch innovative Wohnhochhäuser, wie sie im Wettbewerb präsentiert werden, nicht auch Vorbilder sein für deutsche Städte?

Forster: Das bezweifle ich. Ich war kürzlich Preisrichter bei einem Architekturwettbewerb in Erfurt. Dort wünschte man sich zwei Hochhäuser im Stil des Bosco Verticale, der begrünten Mailänder Wohntürme von Stefano Boeri, die vor vier Jahren mit dem Internationalen Hochhauspreis ausgezeichnet wurden.

Es ist bedenklich, wenn die Ergebnisse des Hochhauspreises unkritisch auf die Maßstäbe von Klein- und Mittelstädten übertragen werden. Zum Glück ist aus dem Projekt nichts geworden. Vor Ort in Mailand zeigt sich, dass der Grüngedanke zwar plakativ daherkommt, sich aber dem Kontakt mit der Stadt völlig verweigert. Hier ist nur noch eine weitere Gated Community entstanden.

Architekt Stefan Forster
Architekt Stefan Forster
Quelle: Lisa Farkas

WELT: In deutschen Großstädten erlebt das Wohnhochhaus doch gerade eine Renaissance. Es scheint dennoch einen Bedarf für diesen Bautyp zu geben.

Forster: Zwischen 2010 und 2018 wurden in Deutschland gerade einmal knapp 10.000 Wohnungen in Hochhäusern realisiert. Bei einem jährlichen Bedarf von 300.000 neuen Wohnungen machen Wohnhochhäuser nur einen verschwindend kleinen Anteil aus. Der Neubau von Hochhäusern beschränkt sich außerdem zu 50 Prozent auf nur zwei Städte – Frankfurt am Main und Berlin. Und bei der Bevölkerung ist das Hochhaus nach wie vor die unbeliebteste Wohnform, wie eine aktuelle Studie der LBS zeigt.

WELT: Dennoch sind die Wohnungen wie im Frankfurter Grand Tower, dem höchsten Wohnhochhaus Deutschlands, oftmals schon vor ihrer Fertigstellung verkauft. Wer sind denn die Käufer für Projekte wie diese, wo der Quadratmeter im Schnitt bei 7000 Euro liegt?

Anzeige

Forster: Das sind zu einem erheblichen Teil Käufer aus dem Ausland. Immer mehr arabische, chinesische und russische Privatpersonen und Investoren legen ihr Geld in Immobilien in deutschen Großstädten an, ohne auch dort zu wohnen. Ich halte diese Entwicklung für sehr problematisch.

WELT: Warum?

Forster: Dadurch wird die soziale Spaltung in den Städten noch weiter vertieft. Die einmal bebaute Grundfläche durch ein Luxushochhaus kann nicht mehr für soziale Wohnprojekte genutzt werden, und durch Aufwertungseffekte – etwa über den Mietspiegel – fällt die Wirkung auf die soziale Mischung des unmittelbaren Wohnumfelds sogar eindeutig negativ aus.

Ich frage mich: Welchen Sinn hat es, Wohnhochhäuser zu bauen, wenn diese fast ausschließlich den Anlageinteressen von ausländischen Investoren dienen, ansonsten aber nur die grassierende Gentrifizierung befeuern? In Frankfurt sind die Mieten seit 2008 um 42 Prozent gestiegen, in Berlin haben sie sich sogar verdoppelt.

WELT: Haben Sie eine Idee, was man gegen diese Entwicklung tun könnte?

Forster: Für Immobilienkäufer aus Nicht-EU-Ländern sollte die Grunderwerbsteuer auf 100 Prozent erhöht werden.

Lesen Sie auch

WELT: Was halten Sie von dem Trend, das Wohnhochhaus wieder für den sozialen Wohnungsbau attraktiv zu machen? In Wien gibt es gelungene Beispiele von Wohnhochhäusern, wo die soziale Mischung der Bewohner funktioniert.

Forster: Zunächst einmal funktioniert der Wiener Wohnungsmarkt völlig anders, weil sich ein großer Anteil des gesamten Wohnungsbestandes in den Händen großer kommunaler Wohnungsbaugesellschaften befindet – und zwar bereits seit den 20er-Jahren. Dieser hohe Anteil hat eine enorm preisdämpfende Wirkung und trägt zur Beruhigung des Marktes bei. Aus diesem Grund tritt die Diskussion über das Thema Wohnhochhaus in Wien nicht so stark in den Vordergrund.

Die meisten deutschen Großstädte verfügen im Vergleich dazu über relativ geringe kommunale Wohnungsbestände und Baulandreserven. Den aus diesem Mangel entstehenden Trend zum sozialen Wohnhochhaus hierzulande sehe ich eher kritisch. Durch den Versuch, die hohen Baukosten durch serielles Bauen und billige Materialien in den Griff zu bekommen, wiederholt man nur die Fehler der 60er- und 70er-Jahre. Die standardisierten und uniformierten Typenhäuser tragen nicht zur Identifikation der Bewohner mit ihren Häusern und ihrem Wohnumfeld bei.

WELT: Aber die Bewohner von Luxuswohntürmen scheinen die Anonymität dieser Wohnform ja durchaus zu schätzen.

Forster: Wer über die ganze Welt verstreut mehrere Immobilien besitzt und sich überhaupt, wie es für diese internationale Klientel typisch ist, nur temporär in einer Stadt aufhält, der ist eben auch nicht unbedingt auf eine funktionierende Nachbarschaft und ein intaktes Wohnumfeld angewiesen. Anders stellt sich dieser Fall bei Menschen dar, die nicht zur globalen Elite zählen, sondern permanent im Hochhaus leben müssen. Sie sind sehr wohl auf Kontakt zur Nachbarschaft angewiesen, wenn sie nicht vereinsamen wollen. Im Hochhaus des sozialen Wohnungsbaus verstärken sich jedoch die negativen Effekte eines anonymen Städtebaus und einer Konzentration von sozial Schwachen gegenseitig.

WELT: Wenn es dann also nicht das Hochhaus ist, das die Wohnungsnot in unseren Städten nachhaltig bekämpfen kann, welcher Bautypus ist es dann?

Forster: Man sollte lieber einen Preis für bezahlbare, ökologisch verträgliche und urbane vertikale Wohnquartiere schaffen, die möglichst genossenschaftlich und kommunal finanziert sind, mit Mietpreisen auf dem Niveau des sozialen Wohnungsbaus und einer hohen Akzeptanz in der Tradition der europäischen Stadt. Der Internationale Hochhauspreis gehört übrigens auch deshalb abgeschafft, weil er ein elitäres Images des Architekten pflegt, das nichts mit der Berufswirklichkeit der meisten meiner Kollegen zu tun hat.

Deutsche Städte sind zu teuer geworden

Investoren haben Milliarden in Immobilien hierzulande gesteckt - und so die Preise hoch getrieben. Doch nach Jahren des Booms finden sie deutsche Städte mittlerweile zu teuer.

Quelle: WELT / Kevin Knauer

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema