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Grüne Umweltministerin über Fahrverbote "Niemand hat Interesse, Messtationen falsch aufzustellen"

Viele Luftmessstationen liefern angeblich zu hohe Werte, weil sie nah an Kreuzungen stehen - wie in Mainz. Ulrike Höfken, Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, widerspricht.
Messstation in der Mainzer Parcusstraße

Messstation in der Mainzer Parcusstraße

Foto: Andreas Arnold/ picture alliance/dpa
Zur Person
Foto: imago/Reiner Zensen

Ulrike Höfken ist seit 2011 Umweltministerin von Rheinland-Pfalz. Die Grünen-Politikerin hat Landwirtschaft studiert und war in dem Beruf tätig.

SPIEGEL ONLINE: Frau Höfken, in Mainz steht die wichtigste Luftmessstation näher an einer Kreuzung als von der EU verlangt. Rechnen Behörden auf diese Weise die Luftqualität schlecht, so dass es Fahrverbote gibt?

Ulrike Höfken: Die Station steht dort nach der EU-Luftqualitätsrichtlinie völlig regelkonform - seit 39 Jahren. Der Abstand beträgt 23,5 Meter.

SPIEGEL ONLINE: Die EU verlangt 25 Meter, die aber vielerorts in Deutschland unterschritten werden. Schon eine leicht veränderte Positionierung kann andere Messergebnisse zur Folge haben. Und an der Parcusstraße in Mainz wird der Grenzwert nur knapp überschritten.

Höfken: Der Abstand von 25 Metern wird nicht von der EU verlangt, sondern ist ein Orientierungswert mit der Formulierung: "soweit möglich". Anderthalb Meter Unterschied machen bei der Messung kaum etwas aus. Der Aufstellort muss ja zahlreiche Kriterien erfüllen. An der Parcusstraße ist das gegeben.

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SPIEGEL ONLINE: Das klingt ein bisschen wie von der Autoindustrie: Abgasreinigung machen wir nur, wenn es möglich ist und nicht dem Motor schadet.

Höfken: Das ist ein unsittlicher Vergleich. VW hat sich des strafbaren Betrugs schuldig gemacht.

SPIEGEL ONLINE: Das Bundesverkehrsministerium will die Aufstellorte aller Stationen im Land überprüfen lassen. Macht Rheinland-Pfalz mit?

Höfken: Wir überprüfen die Standorte selbst regelmäßig. Der Minister kann da nicht einfach tun, was er möchte.

SPIEGEL ONLINE: Sie machen bei den Überprüfungen also nicht mit.

Höfken: Unsere eigenen Kontrollen genügen, mit Passivsammlern führen wir Qualitätskontrollen durch. Es hat ja auch niemand ein Interesse daran, dass Messstationen an einer falschen Stelle aufgestellt werden.

SPIEGEL ONLINE: Sollten Messergebnisse nicht bundesweit vergleichbar sein? Es ist doch ungerecht, wenn es in einer Stadt ein Fahrverbot gibt, wo die Station sehr nah an der Kreuzung steht, während anderswo - auch im Ausland - anders gemessen wird und es kein Fahrverbot gibt.

Höfken: Es mag Unterschiede bei den Messergebnissen geben, weil Städte in Kesseln liegen oder weniger Wind weht. Die Messungen selbst sind aber rechtskonform und EU-einheitlich. Schuld an den Grenzwertüberschreitungen sind nicht die Stationen, sondern die Machenschaften der Autoindustrie.

SPIEGEL ONLINE: Grüne Politiker nutzen Messergebnisse mitunter geschickt. In Hessen hat ein grünes Ministerium kurz vor der Landtagswahl plötzlich eine weitere Messstation für Frankfurt nach Berlin gemeldet - mit hohen Grenzwertwertüberschreitungen. Deshalb ist Frankfurt kaum vor einem Fahrverbot zu retten. Dabei wollen die Grünen Fahrverbote doch angeblich auch verhindern?

Höfken: Ja, wir wollen keine Fahrverbote. Aber die Bundesregierung will Grenzwertüberschreitungen legitimieren und will dazu sogar Gesetze ändern.

SPIEGEL ONLINE: Die Änderung des Immissionsschutzgesetzes soll gewisse Grenzwertüberschreitungen erlauben. Jedenfalls hätte sie Frankfurt womöglich vor einem Fahrverbot bewahrt. Dann tauchte die neue Messstation auf.

Höfken: Diese Gesetzesänderung ist ein Rechtsverstoß. Es geht um eine Legitimierung der Überschreitung des bestehenden Grenzwertes für Stickstoffdioxid um 25 Prozent zu Lasten der Gesundheit der Bevölkerung. Die Glaubwürdigkeit der Politik nimmt so massiv Schaden durch die Haltung der Bundesregierung. Das dient dann nur der AfD.

SPIEGEL ONLINE: In Frankreich haben zuletzt Hunderttausende gegen höhere Steuern auf Diesel protestiert. Damit hatten sie nicht gerechnet, als sie die vermeintlich sauberen Autos kauften. In Deutschland beklagen viele Dieselfahrer den Wertverlust durch Fahrverbote. Fürchten Sie ähnliche Proteste hierzulande?

Höfken: Wir stehen auf der Seite der Autofahrer und der Bevölkerung. Wir verlangen, wie alle Länder gerade gemeinsam in der Umweltministerkonferenz, dass die Industrie alte Dieselautos in ganz Deutschland mit Abgasreinigungssystemen nachrüstet - auf ihre Kosten.