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Bayern Opernsängerin Anna El-Khashem

„Mit Neid kann ich nicht umgehen “

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Die Opernsängerin Anna El-Khashem ist frisch gekürte „Nachwuchskünstlerin des Jahres“
Quelle: pa/Neumayr/pic/dpa pa
Schon im Kindergarten wusste Anna El-Khashem, dass sie Opernsängerin werden will. Heute ist sie 22 und tritt in der Münchner Staatsoper auf. Ein Gespräch über eine schicksalhafte CD, Konkurrenzdruck und Gesangswettbewerbe.

Viel zu bemängeln hat der Coach bei der Probe nicht. „Das ,Kling‘ und das ,Klang‘ könntest du ein bisschen mehr in die Länge ziehen“, sagt er. „Und weil das Taumännchen stolz auf seine Reime ist, darfst du diese mehr akzentuieren.“ Anna El-Khashem, 22 Jahre, zarte Figur, Blumenkleid, nickt und macht sich sofort ein paar Notizen. Einmal noch singt sie die Arie, mit der sie im Dezember in der Bayerischen Staatsoper Hänsel und Gretel wecken wird. Anschließend setzt sich die Opernsängerin aus Sankt Petersburg, frisch gekürt als „Nachwuchskünstlerin des Jahres“, entspannt zum Interview.

WELT: Frau El-Khashem, Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“ ist in Deutschland sehr populär. Es ist oft die erste Oper, in die Eltern ihre Kinder mitnehmen. Was war Ihre erste Oper?

Anna El-Khashem: „Eugen Onegin“. Ich war vier oder fünf Jahre alt, aber ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, weil ich mit meiner Familie in der ersten Reihe gesessen bin. Ich musste auf die Bühne hochblicken, alles, was ich gesehen habe, waren Schuhe und Röcke. Ich war unglaublich fasziniert. „Hänsel und Gretel“ habe ich erst hier in Deutschland gesehen, diese Oper wird in Russland kaum gespielt.

WELT: Die Probe gerade war nach nur 20 Minuten vorbei. Ihr Coach sagte, Sie könnten die Partie so gut, da gebe es jetzt nichts mehr zu verbessern. Hatten Sie zuvor schon so viel geübt?

El-Khashem: Ich bin tatsächlich eher perfektionistisch veranlagt, aber in diesem Fall kenne ich die Partie. Ich habe sie bereits einmal konzertant gesungen, in der Oper allerdings noch nie. Das wird eine Premiere für mich.

WELT: Das Taumännchen hat eine einzige Arie, und diese dauert nicht mal zwei Minuten. Macht das für einen Sänger den Auftritt nun leichter oder schwerer?

El-Khashem: Der Auftritt ist in jedem Fall eine Herausforderung. Denn ich habe nur diese zwei Minuten. Ich habe keine Zeit dafür, mich an die Atmosphäre gewöhnen, das Publikum zu erspüren. Ich muss sofort das Beste geben. Deshalb beginnt meine Vorbereitung auch lange vor dem Auftritt, damit ich dann, wenn es so weit ist, da bin, mit allem, was ich habe.

Diese Frau singt, während ihr ein Hirn-Tumor entfernt wird

Es ist höchst ungewöhnlich und skurril: Eine US-Amerikanerin muss bei ihrer Gehirn-Operation singen, damit die Ärzte den Tumor erkennen und präzise arbeiten können. Nur so konnte die OP gut verlaufen.

Quelle: WELT / Steffen Schwarzkopf

WELT: Keine Schwierigkeit für Sie ist das deutsche Libretto. Woher kommen Ihre sehr guten Deutschkenntnisse?

El-Khashem: Ich habe auf der Schule für zwei Jahre Deutsch gelernt. Tatsächlich war mein Deutsch aber, als ich hierher nach München kam, nicht gut. Mein Freund, der Sänger Johannes Kammler, den ich hier im Opernstudio kennengelernt habe, hat mir hier sehr geholfen. Mein Deutsch habe ich ihm zu verdanken.

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WELT: Ihre Mutter ist Russin, ihr Vater Libanese. Was wurde zu Hause gesprochen?

El-Khashem: Russisch und Arabisch, wobei ich Arabisch leider nur mündlich beherrsche. Und Französisch, die zweite Muttersprache meines Vaters, kann ich gar nicht. Das werde ich aber irgendwann einmal nachholen. Ich liebe Sprachen! Würde es den Beruf der Opernsängerin nicht geben, ich hätte etwas mit Sprachen gemacht.

Die Eltern arbeiteten als Ärzte

WELT: Ihre Eltern sind beide Ärzte. Da ist eine musikalische Karriere nicht gerade vorgezeichnet.

El-Khashem: Das stimmt. Und trotzdem habe ich bereits im Kindergarten verkündet, dass ich Opernsängerin werden will. Meine Eltern hatten eine CD der italienischen Sängerin Cecilia Bartoli mit Barock-Arien zu Hause und ich, damals vier Jahre alt, habe versucht, ihren Gesang zu imitieren. Das war der Anfang.

WELT: Sie haben auf dem Konservatorium in Sankt Petersburg studiert. Wann haben Sie begonnen?

El-Khashem: Ich wurde mit 17 Jahren aufgenommen. Das ist sehr früh, meine Mitstudenten waren alle vier, fünf Jahre älter als ich. Ich hatte Glück, dass ich gleich nach meinem Schulabschluss dort studieren durfte.

WELT: Und das Können offensichtlich auch. Hatten Sie als Jugendliche Gesangsunterricht?

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El-Khashem: Nur sehr sporadisch. Aber ich habe in einer Musikschule im Chor gesungen.

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WELT: Seit 2016 sind Sie im Opernstudio München. Waren Sie mit Ihrem Studium bereits fertig, oder haben Sie abgebrochen?

El-Khashem: Weder noch. Ich bin erst jetzt gerade im Sommer fertig geworden.

WELT: Und das ging?

El-Khashem: Ja, das ging irgendwie (lacht). Es soll nicht arrogant klingen, aber ich bin sehr organisiert. Und ich habe darum gekämpft, beides machen zu dürfen. Das Konservatorium hat mich vom Unterricht freigestellt, ich musste nur zu den Prüfungen anwesend sein. Und dafür hat mir das Opernstudio freigegeben.

WELT: Das klingt nicht nach viel Freizeit in den letzten beiden Jahren.

El-Khashem: So schlimm, wie es sich anhört, war es nicht. Es war schon stressig, aber ich habe das nie als eine Belastung empfunden. Außerdem: Wenn ich etwas unbedingt machen will, finde ich auch die Zeit dafür.

WELT: Sie klingen nicht nur organisiert, sondern auch sehr erwachsen für Ihre 22 Jahre. Wird man schnell erwachsen in Ihrem Beruf?

El-Khashem: Ich habe mich schon immer etwas älter gefühlt, als ich bin. Auch viele meiner Freunde sind etwas älter als ich. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass ich mich schon sehr früh mit klassischer Musik und damit auch mit ernsten Themen, tiefen Gefühlen und dramatischen Schicksalen auseinandergesetzt habe.

Sängerin gewann den Mozart-Wettbewerb in Salzburg

WELT: Sie haben mehrere Gesangswettbewerbe gewonnen, in diesem Jahr auch den renommierten Mozart-Wettbewerb in Salzburg. Sind Wettbewerbe fixer Bestandteile in der Karriereplanung einer Nachwuchssängerin? 

El-Khashem: Das ist eine schwierige Frage. Wettbewerbe sind wichtig, ja. Man kann sich zeigen, man lernt Leute kennen, gewinnt Erfahrung. Dennoch halte ich nichts davon, auf zu viele Wettbewerbe zu gehen. Ich suche mir sehr genau aus, wo ich antrete. Von dem Mozart-Wettbewerb habe ich lange geträumt. Davon abgesehen, ist Mozart mein absoluter Lieblingskomponist.

WELT: Erfolg schafft Neider. Wie gehen Sie mit Konkurrenz und Neid im Kollegenkreis um?

El-Khashem: Zum Glück bin ich davor bisher verschont geblieben. Mit Neid kann ich überhaupt nicht umgehen. Damit ich gut arbeiten kann, muss ich mich wohlfühlen. Ich muss den Menschen, mit denen ich arbeite, vertrauen können, so wie hier im Opernstudio. Wir sind eine große Familie. Ganz grundsätzlich sehe ich die Konkurrenzsituation nicht negativ, für mich ist das eher eine Motivation, an mir zu arbeiten. Und ja, man muss auch kämpfen können. Das kann ich.

WELT: Sie sind das dritte Jahr im Münchner Opernstudio. Normalerweise ist doch spätestens nach zwei Jahren Schluss?

El-Khashem: Das stimmt. Ein drittes Jahr ist die Ausnahme. Ich habe mich sehr darüber gefreut, bleiben zu können, weil ich hier noch so viel lernen kann. Aber nach dieser Spielzeit ist meine Zeit im Opernstudio vorbei.

WELT: Und dann kommt was?

El-Khashem: Das weiß man in unserem Beruf nie genau. Wenn ich wählen dürfte, würde ich gern festes Mitglied in einem Ensemble werden. Und in Deutschland bleiben.

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