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Immobilien Scholz‘ Grundsteuerpläne

Die komplizierteste Steuer aller Zeiten

Leitender Redakteur Immobilien
Warum Scholz’ Pläne die Mieten weiter in die Höhe treiben könnten

Bundesfinanzminister Olaf Scholz plant, die Grundsteuer für jede Wohnung individuell zu berechnen. Bislang gilt dies pro Immobilie. Bei Wohnungen mit hoher Miete würde dadurch die Grundsteuer steigen

Quelle: WELT / Achim Unser

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Erste Details aus der geplanten Grundsteuerreform werden bekannt. Danach dürfte künftig die Miethöhe einer Wohnung in die Berechnung einfließen. Das macht es für Finanzämter aufwendig – und für so manchen Mieter auch teurer.

In dieser Woche will Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ein neues Konzept für die Grundsteuer vorstellen. Und vieles spricht dafür, dass die neue Steuer extrem kompliziert werden dürfte. Und zusätzlich auch kostspielig für Mieter, die in ohnehin schon teuren Ballungszentren in gefragter Lage wohnen.

Denn die neue Grundsteuer wird, nach allem was bekannt ist, nicht nur nach Fläche und Alter der betreffenden Gebäude berechnet werden. Auch die Höhe der Miete soll eine Rolle spielen – eventuell sogar die Miethöhen einzelner Wohnungen. Das bedeutet schlicht: Je höher die Mietzahlungen, desto höher künftig auch die Grundsteuer.

Finanzminister Scholz hat zwar einen entsprechenden Bericht der „Bild“-Zeitung am Montag in Zweifel gezogen. Doch ein echtes Dementi gab es nicht. Auch nach WELT-Informationen wird die wirtschaftliche Verwertbarkeit einer Immobilie auf jeden Fall eine Rolle spielen – und damit beispielsweise etwa die Höhe der erzielbaren Miete. Bei Eigentümern, die in ihrer eigenen Immobilie leben, wird es dann richtig kompliziert. Für sie müsste eine fiktive Mieteinnahme errechnet werden, um die Steuer zu erheben.

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Damit entsteht eine kaum zu bewältigende Mammutaufgabe für die Finanzämter der Gemeinden. Zwar legen Vermieter in ihrer Einkommensteuererklärung die Höhe der Mieteinnahmen offen, jedoch nicht unbedingt aufgeteilt nach einzelnen Wohnungen. Und mit Selbstnutzern dürfte es jahrelangen Streit um den theoretischen Wohnwert geben.

„Der Gesetzgeber schafft damit ein Beschäftigungsprogramm für Steuerbeamte“, sagt Hans Volkert Volckens, Vorsitzender des Ausschusses Steuerrecht des Zentralen Immobilien Ausschusses, eines Branchenverbandes der Immobilienwirtschaft. Auch der Eigentümerverband Haus & Grund meldete sich zu Wort: „Wenn künftig für jede Wohnung ein Grundsteuerbescheid erstellt werden soll, der sich auch noch an der aktuellen Miethöhe orientiert, wäre dies ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Finanzverwaltung, das seinesgleichen sucht“, sagte Haus-&-Grund-Präsident Kai Warnecke. „Das Scholz-Modell ist ein Bürokratiemonster“, sagte der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Föst.

Neues Gesetz muss 2019 kommen

Schon eine neue Erhebung und Preisfeststellung für die 35 Millionen Immobilieneinheiten in Deutschland wäre aufwendig. Wenn nun aber einzelne Wohnungen bewertet werden, wären die Finanzämter „heillos überfordert und die Erhebungskosten für diese Steuer nicht mehr zu rechtfertigen.“

Für Städte und Gemeinden ist die Grundsteuer auf Grundstücke und Immobilien eine der wichtigsten Einnahmequellen, mit einem Aufkommen von mehr als 14 Milliarden Euro pro Jahr. Die bisherige Grundsteuerberechnung ist laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Frühjahr allerdings verfassungswidrig.

Sie basiert auf einheitlichen Grundstückswerten, die seit über 50 Jahren nicht angepasst wurden. Bis zum Jahresende 2019 muss die Neuregelung stehen, forderten die Verfassungshüter. Auch die meisten Mieter müssten die Steuer zahlen, denn Eigentümer können die Grundsteuer auf sie umlegen.

Eine der Forderungen der Verfassungsrichter war tatsächlich, dass die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Immobilie eine Rolle spielen muss. Damit kommt der Fiskus um eine Bewertung von Preisen oder Mieten in der ein oder anderen Form nicht mehr herum. Allerdings müsste dabei nicht unbedingt jede einzelne Wohnung einbezogen werden.

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Vor allem aber besteht die Gefahr, dass teure Mietwohnungen auch stärker belastet werden – eben weil sie wirtschaftlich besser verwertbar sind. Politiker von SPD und CDU sind allerdings der Ansicht, dass sich größere Härten durch eine Anpassung der kommunalen Hebesätze und eventuell auch der Steuermesszahl vermeiden ließen. Jede Gemeinde kann selbst entscheiden, wie hoch sie den Hebesatz ansetzt, der als Multiplikator am Ende für die Gesamthöhe der Steuern entscheidend ist. Klamme Kommunen haben deshalb in der Vergangenheit die Hebesätze besonders stark angehoben. Ob sie nun auf die Möglichkeit höherer Steuereinnahmen nach einer Reform verzichten, ist fraglich.

„Kaum zu bewältigende Aufgabe“

Für den kommunalpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup, steht im Vordergrund, dass die neue Steuer auch verfassungskonform ist – also eine Wertekomponente beinhalten muss. „Zentral ist auch die Zusage an die Kommunen, dass das Aufkommen gleich hoch bleibt“, sagt er.

Bezogen auf das gesamte Bundesgebiet könnte es auch tatsächlich so kommen. Allerdings dürfte es stärkere Unterschiede zwischen teureren und weniger teuren Lagen geben. Mieter und Eigentümer in strukturschwachen Regionen könnten entlastet, in den gefragten Ballungszentren dagegen stärker belastet werden als bisher.

Für Dirk Löhr, Professor für Steuerlehre und Ökologische Ökonomik an der Hochschule Trier, wird jede Form der Mietanrechnung zu einer kaum zu bewältigenden Aufgabe: „Die Eigentümer werden wahrscheinlich Steuererklärungen abgeben müssen, ansonsten kann man die zeitlichen Vorgaben des Verfassungsgerichts wahrscheinlich kaum einhalten“, sagt er. „Diese Steuererklärungen müssen aber auch vom Finanzamt kontrolliert werden können.“

Quelle: Infografik WELT

Möglicherweise würden auch verschiedene Finanzämter zuständig – eines für die Einkommensteuer, eins für die Grundsteuer. „Und: Die tatsächliche Miete muss ja auch nicht unbedingt der Marktmiete entsprechen. Ich weiß nicht, ob hier eine Angleichung vorgesehen ist“, so Löhr.

Der Steuerexperte engagiert sich auch für die Initiative „Grundsteuer zeitgemäß“. Diese favorisiert ein einfaches Bodenwertmodell, bei dem die Steuer anhand der bereits bekannten Bodenrichtwerte in einer Kommune erhoben wird. Das hätte den Vorteil, dass die Steuer einfach zu berechnen wäre. Und auch die wirtschaftliche Verwertbarkeit wäre berücksichtigt – denn je höher der Bodenwert, um so wertvoller in der Regel auch die Immobilie.

Andere favorisieren ein reines Flächenmodell – so etwa die FDP, die Immobilienwirtschaft und der Verband Haus & Grund. Hier bemängeln Experten allerdings, dass die wirtschaftliche Verwertbarkeit nur indirekt eine Rolle spielt. Zwar bedeutet viel Fläche normalerweise auch viel ökonomischen Nutzen. Aber die Lage bliebe dabei unberücksichtigt, und Immobilien in Toplagen in der City würden genauso besteuert wie Immobilien am Stadtrand.

Den Gesetzgebern läuft die Zeit davon

14 Milliarden Euro nimmt der Staat jährlich dank der Grundsteuer ein, aber die Erhebung in der bisherigen Form wurde vom Verfassungsgericht verworfen. Nun wird um ein einfaches, aber gerechtes Modell gestritten - schon zu lange.

Quelle: WELT

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