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Verbraucher Einbrecher

Die ständige Angst um das sichere Heim

Freier Korrespondent Handel und Konsumgüter
So schrecken Sie Einbrecher ab

Für Einbrecher zählt jede Sekunde, daher reichen oft schon einfache Sicherungsmaßnahmen, um Profis abzuschrecken. Sehen Sie hier die richtigen Tipps, um sich wirksam zu schützen.

Quelle: WELT / Christoph Hipp

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Obwohl sich die meisten Bundesbürger in ihrer Wohngegend gut aufgehoben fühlen, steigt die Furcht vor Einbruch-Kriminalität. Dabei gingen die Einbruchzahlen letztes Jahr sogar deutlich zurück. Doch in diesen Tagen ist die Angst gut begründet.

Dieser Coup war an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Obwohl die Polizei vor dem Potsdamer Mehrfamilienhaus Wache hielt, in dem Finanzminister Olaf Scholz eine Wohnung unterhält, verschafften sich Einbrecher letzten Freitag Zugang, klauten EC-Karten und Wertgegenstände. Die Wohnung des Ministers sei nicht betroffen gewesen, teilte die Polizei mit, aber immerhin: Für dessen Domizil gilt die höchste Sicherheitsstufe. Wieso trotzdem ein paar Türen weiter Kriminelle ungestört ihr illegales Werk verrichten konnten, muss noch geklärt werden.

Es sind Meldungen wie diese, die dazu beitragen, das Sicherheitsgefühl der Bürger zu unterminieren. Zwar fühlt sich die große Mehrheit in den eigenen vier Wänden durchaus geborgen. Rund 91 Prozent sagen, dass sie sich in der Nachbarschaft gut aufgehoben fühlen und erteilen der Umgebung die Note „sicher“ oder „sehr sicher“. Doch zugleich haben viele den Eindruck, dass der Trend in die falsche Richtung geht. 27 Prozent erklären, dass sie eine Verschlechterung gegenüber dem Stand vor zwei Jahren wahrnehmen.

Das sind zentrale Ergebnisse aus einer Umfrage der Amazon-Tochter Ring, eines Herstellers von intelligenten Türklingeln und weiterer Sicherheitstechnik vor allem für private Haushalte. „Fremde in der Nachbarschaft wurden als Hauptgrund für das Unwohlsein genannt“, heißt es in der Auswertung der europaweiten Studie, deren Ergebnisse für Deutschland WELT exklusiv vorliegen. Die größte Angst vor Einbrüchen herrscht danach im bundesweiten Vergleich in Thüringen und Brandenburg, während sich Bayern und Hessen am wenigsten bedroht fühlen.

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Nach der kriminalpolizeilichen Statistik hinkt die Gefühlslage der Entwicklung hinterher – und die Zahlen gelten in diesem Fall als verlässlich, weil fast alle Einbrüche angezeigt werden. Es gibt also kaum eine Grauzone. Tatsächlich war die Zahl der Einbrüche über Jahre kontinuierlich angestiegen – von weniger als 110.000 im Jahr 2007 auf über 152.000 im Jahr 2015.

Gleichzeitig rauschte die Aufklärungsquote bundesweit von 20 Prozent auf kaum mehr als 15 Prozent nach unten. Im Folgejahr kam es nochmals zu einem deutlichen Anstieg auf über 167.000 registrierte Einbrüche. Doch dann brach der Boom der Dunkelmänner abrupt ab: Mit 116.000 Einbruchsdelikten verzeichneten Kriminalisten und Versicherer 2017 fast ein Viertel weniger als im Jahr zuvor. Und: Die Aufklärungsquote stieg wieder leicht auf 17,8 Prozent.

Fahndungserfolge gegen Banden

Einer der Gründe für die positive Entwicklung scheinen Fahndungserfolge gegen international agierende Banden zu sein. So ließ die Münchener Polizei im Frühjahr letzten Jahres eine mafiaähnliche Organisation auffliegen, die aus 500 Mitgliedern bestand und „Niederlassungen“ auch in Frankreich, Belgien, Italien und anderen Ländern aufgebaut hatte. Täter wurden auch aus Osteuropa registriert.

In Berlin etwa gehört laut Kriminalpolizei jeder dritte Einbrecher „reisenden Gruppierungen“ aus Polen, Bulgarien, Serbien, Georgien und etlichen südosteuropäischen Staaten an. Womöglich hat auch eine Verschärfung des Strafrahmens für Einbruchdiebstahl in Privatwohnungen dazu beigetragen, dass die Profis Deutschland wegen des höheren Risikos eher meiden als früher. Die Mindeststrafe verdoppelte sich auf ein Jahr, in schweren Fällen drohen bis zu zehn Jahre hinter Gittern.

Wie nachhaltig sich Kriminelle durch Strafandrohungen und Polizei beeindrucken lassen, ist umstritten – eine scharf bewachte Ministerwohnung im Haus schreckt offenbar nicht alle ab. Auch die Versicherungen sehen nicht allzu viel Grund für Optimismus. Der Verband der Versicherungswirtschaft spricht von einer „vermeintlichen Trendwende“, Verbandschef Wolfgang Weiler warnte jüngst vor „Illusionen“:

„Damit wir nicht wieder einen Anstieg wie vor zehn Jahren sehen, sind alle Anstrengungen notwendig. Das Niveau der Einbruchszahlen bleibt hoch.“ Die versicherten Schäden betrugen 2017 insgesamt 360 Millionen Euro. In den fünf Vorjahren hatten sie allerdings jeweils über eine halbe Milliarde Euro gelegen.

Mehr Einbrüche in der kalten Jahreszeit

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Schaut man genauer hin, trügt das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger sie oft nicht. So wächst nach der Ring-Studie die Angst in den dunklen Wintermonaten: „Von den Befragten sagen 28,6 Prozent, dass die längeren Nächte sie zunehmend besorgt um die Sicherheit ihres Heims machen“, heißt es in der Auswertung. Die Sorge ist begründet, folgt man dem Züricher Kriminologen Dirk Baier, nach dessen Angaben die Monate Oktober bis Januar die Hauptsaison für Einbrecher bilden.

Besonders gefährdet seien Erdgeschosswohnungen und Einfamilienhäuser. Laut Umfrage halten zudem 43,3 Prozent die Nachtzeit für besonders gefährlich – ein Befund, der sich nicht unbedingt mit den Erfahrungen der Ermittler deckt. Einbrecher suchten sich vorzugsweise die Zeit zwischen zehn und 18 Uhr aus, weil dann oft niemand zu Hause sei, so Baier. Laut Statistik werden vier von zehn Einbrüchen tagsüber begangen.

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Für die Betroffenen sind die Folgen von Einbrüchen gravierend, nicht nur wegen des durchschnittlichen versicherten Schadens von knapp 3000 Euro, sondern vor allem aufgrund der psychologischen Auswirkungen. Viele erleben das gewaltsame Eindringen in ihre Privatsphäre als Trauma. Nach einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen für den Gesamtverband der Versicherungswirtschaft fühlt sich Hälfte der Opfer auch ein Jahr nach der Tat noch verunsichert.

Zahlreiche Wohnungsbesitzer investieren inzwischen in die Sicherheit ihres Heims, um sich solche Situationen zu ersparen. Nach einer Umfrage von YouGov will jeder Vierte zusätzliche Sicherheitsschlösser oder Riegel einbauen, fast ebenso viele investierten in Bewegungsmelder und automatische Lichtanlagen.

Markt für Sicherheitstechnik wächst

Der Markt für elektronische Sicherheitstechnik wächst seit Jahren überdurchschnittlich. Nach Zahlen des Bundesverbands Sicherheitstechnik hat er 2016 ein Volumen von 3,94 Milliarden Euro erreicht, ein Wachstum von 15 Prozent binnen zwei Jahren. Auch Ring, im Februar für schätzungsweise rund eine Milliarde Dollar von Amazon übernommen, hat es auf dieses Segment abgesehen.

Der Versicherungsverband hat ferner ein paar einfache und zudem kostenfreie Sicherheitstipps auf Lager, mit denen sich die gröbsten Fehler vermeiden lassen. So solle man Türen grundsätzlich abschließen und nicht nur zuziehen, Außenbereiche beleuchten und Rollläden tagsüber hochziehen und nachts schließen – ein Signal für die Anwesenheit der Bewohner.

Keine gute Idee sei es überdies, Kletterhilfen wie Leitern oder Gartenstühle draußen herumstehen zu lassen, den bevorstehenden Urlaub auf den sozialen Netzwerken anzukündigen oder auf den Anrufbeantworter etwa die Nachricht nach dem Motto zu sprechen: „Wir sind zwei Wochen verreist“.

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Aber mehr als auf die Technik vertrauen die Deutschen nach der Ring-Studie auf ihre Nachbarn, wenn es um die Sicherheit geht. „Diejenigen, die sich in ihrer Wohngegend sicher fühlen, nannten wachsame Nachbarn als Hauptgrund für das erhöhte Sicherheitsgefühl, gefolgt von der Installation sicherheitstechnischer Produkte“, so die Zusammenfassung der Ring-Studie.

Knapp 81 Prozent der Befragten gaben darin an, sie stünden in regelmäßigem oder zumindest gelegentlichem Kontakt zu ihren Nachbarn. Damit seien die Deutschen „die kommunikativsten Nachbarn“ in allen von der Umfrage erfassten Ländern Europas.

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