Biathlon:Peiffers Neustart nach der großen Party

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Einer der zahlreichen emotionalen Höhepunkte des deutschen Olympiawinters in Pyeongchang: Arnd Peiffer gewinnt Gold im Sprint. (Foto: Quinn Rooney/Getty Images)
  • Arnd Peiffer geht als Anführer der deutschen Biathlen in den kommenden Winter.
  • Der Olympiasieger soll helfen, den Generationen-Umbruch hinzubekommen.

Von Volker Kreisl

Ach, was war das für ein perfektes Rennen, Arnd Peiffer erinnert sich noch gut. Jeder Schuss, peng, saß. Und das Skaten, es ging ganz leicht über die Piste, es war wie im Flow, sagt Peiffer, die Abläufe, die Technik, die Wechsel zwischen den Disziplinen: "Alles hat geflutscht." Derart "bombastisch" war es, dass es schon gefährlich erschien, denn, so Peiffer, "man kann direkt süchtig werden von so was!"

Aber der Biathlet Arnd Peiffer ist nicht der Typ, der süchtig wird. Sonst würde er nicht schon bei einem Rausch, der im Prinzip nur durch Anstrengung an der frischen Luft ausgelöst wird, sich selber ermahnen, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. Und er würde auch nicht dieses perfekt flutschende Rennen 2010 in Antholz/Südtirol, von dem er gerade erzählt hatte, auf dieselbe Stufe heben wie das, was ihm am 11. Februar 2018 widerfahren ist.

Das war der Olympiasieg in der Disziplin Sprint, einer Art Biathlon pur. Der Sport wird da verdichtet auf zirka 25 Minuten, in denen unter höchstem Zeitdruck und fast ohne Taktik geschossen und gerast wird. Peiffer liebt den Sprint. Er wurde darin 2011 Weltmeister und im Februar dieses Jahres in Pyeongchang Olympiasieger.

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Das Spitzenquartett ist bald komplett über 30 Jahre alt

Peiffer will noch eine Weile fortfahren mit seinem Sport, und doch könnte er diesen Sieg auch als Abrundung, als Krönung seiner Arbeit empfinden. Aber er sagt: "Ich sehe mich jetzt überhaupt nicht anders." Es sei ein gutes Rennen gewesen, ein tolles Erlebnis, dafür sei er dankbar, aber davon gab es noch andere. Zum Beispiel das simple, aber perfekte Weltcuprennen vor knapp neun Jahren in Antholz.

Der Olympiasieger Arnd Peiffer lebt gerade das vor, was im Biathlon und in vielen weiteren Disziplinen des deutschen Wintersports gefragt ist: den Neubeginn nach der Party. Nach den 14 Goldmedaillen von Südkorea müssen sich viele Teams neu ausrichten und motivieren. Die Biathleten, von denen nach zwei Jahrzehnten voller Erfolge immer besonders viel erwartet wird, stehen demnächst wieder vor einem schwierigen Umbruch.

Das Spitzenquartett der Männer (Simon Schempp, Erik Lesser, Benedikt Doll und Peiffer) ist bald komplett über 30 Jahre alt, eine ähnlich stark veranlagte jüngere Generation ist nicht in Sicht. Und bei den Frauen hat zuletzt hauptsächlich Laura Dahlmeier Medaillen errungen. Selbst wenn sie frühestens kommende Woche von ihrer Erholungspause zurückkommt, so fragt sich, ob Franziska Preuß, Vanessa Hinz oder vielleicht auch die Langlauf-Umsteigerin Denise Herrmann zu verlässlichen Größen werden.

Am Sonntag beginnt in Pokljuka mit den Mixed-Staffeln die Saison, und Peiffer wird noch eine Weile gebraucht. Da ist es gut, dass er beides vereint: Triumphator und Normalo. Er ist nicht der Typ, der zu Hause Medaillen oder Pokale wienert, der Fotoalben von seinen Sternstunden anlegt. Nach einer Siegerehrung, einem Stadt-Empfang oder einer Ehrenbürger-Erhebung sucht Peiffer schnell wieder seine heimelige Trainingsumgebung. Obwohl? Ein Zeugnis des Triumphs hängt dann doch in seinem kleinen Kraftraum, zu Hause, im Keller: "Von 2014, von der Silbermedaille mit der Olympiastaffel in Sotschi", sagt er, "ein Gruppenbild mit allen, Trainern, Technikern und Physios." Das ganze Team - dieser Anblick hilft beim Gewichtestemmen.

Der Hang zur Normalität kann damit zusammenhängen, dass Peiffer nicht unbedingt aus einem Milieu stammt, in dem man Siegerallüren im Wintersport entwickelt. Beim WSV Clausthal-Zellerfeld lernte er Langlaufen und später Schießen. Das war die Zeit, als der Biathlonsport mit Uschi Disl und Ricco Groß auch die Wohnzimmer jenseits der Mittelgebirge eroberte, auch Peiffer, und der hatte Talent. Nur war da auch noch das Abitur auf einer ganz normalen Schule, zudem die manchmal doch weiten Fahrten in den Schnee. "Trotzdem", sagt er, "hab' ich auf letzter Rille, im letzten Juniorenjahr, den letzten Platz im C-Kader erwischt."

Die Coaches haben dann recht bald gesehen, dass auch auf der anderen, der Flachlandseite des Harzes, jemand großes Talent für den Winterzweikampf haben kann. Peiffer beeindruckte mit Ergebnissen (etwa der Junioren-Weltcupsieg, klar, im Sprint) und auch mit Trainingsfleiß; er sagt, "ich bin einer, der über die Beharrlichkeit kommt". So einer arbeitet und wartet auf den richtigen Zeitpunkt.

Er denkt nicht in Siegen, sondern in Top-Ten-Plätzen. Ein Beharrlicher dokumentiert seine Leistung weniger mit Triumphen, als mit der grau wirkenden, aber bei Wintersportlern beliebten, sperrig klingenden Gesamtweltcupwertung. Das ist die Abrechnung am Ende der Saison, die einem Durchhaltevermögen bescheinigt, und bei der Peiffer meist unter den besten Zehn landet und zwar nach sukzessiver Steigerung.

Wenn so einem dann doch plötzlich der große Coup bei Olympia gelingt, dann ist er schnell auch wieder ein normaler Biathlet, denn eine Goldmedaille ist nur ein Stück Edelmetall. Aber wo ist dann der Platz für die Aufbewahrung so eines Olympiasiegs? Im Herzen?

"In der Erinnerung", sagt Peiffer, "in mit Gefühlen verknüpfter Erinnerung." Und irgendwann verblasse die, und das ist ganz natürlich, denn was zählt, ist, was jetzt kommt, die neue Saison.

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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