Konzert:Pop zum Träumen

(Foto: Tonje Thilesen)

Von Jürgen Moises

"Ich befand mich in einer Voliere voller kreischender Vögel". So heißt der Satz in einer Kurzgeschichte der libanesischen Schriftstellerin und Malerin Etel Adnan, auf den sich der Titel "Aviary" des neuen Albums von Julia Holter bezieht. Und nimmt man dieses Bild von einem großen Vogelkäfig metaphorisch, der angefüllt mit Leben und mit Chaos ist, dann ist man tatsächlich auch sehr nahe dran, was die Singer-Songwriterin, Komponistin und Künstlerin aus Los Angeles damit erreichen wollte. Eine Meditation über das aktuelle Chaos in der Welt soll "Aviary" sein, sagt Julia Holter, das genauso wie ihre vergangenen vier Alben musikalisch nur schwer einzuordnen ist. Ist das etwa die Neuformulierung des traditionellen Kunstlieds, das die amerikanische Künstlerin mit Elektropop, Jazz, Dream-Pop und Neuer Musik aufmischt? Auch textlich steckt das Album, das sich über nicht weniger als 87 Minuten erstreckt, voller Verweise und dockt unter anderem bei Dante Alighieri, der mittelalterlichen und barocken Literatur an. Dass die ausgebildete Komponistin "Aviary" am Montag, 3. Dezember, in den Münchner Kammerspielen und damit in einer bildungsbürgerlichen Einrichtung live präsentiert, das hört sich also durchaus konsequent an. Aber wer jetzt befürchtet, dass das Ganze wie das musikalische Äquivalent zum "Ulysses" von James Joyce klingt - keine Angst! Denn trotz allem ist "Aviary" immer noch ein Pop-Album, das auch voller schöner, eingängiger Melodien steckt. So ist etwa "I Shall Love 2" eine wunderschöne Kammerpop-Ballade, die ein bisschen an die legendäre Indiepop-Band Velvet Undergroud erinnert.

Julia Holter , Montag, 3. Dezember, 20 Uhr, Kammerspiele, Maximilianstr. 26-28

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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