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Deutschland UN-Migrationspakt

Mit Gelassenheit gegen die Weltuntergangsszenarien der AfD

"Dieser Pakt ist auch im deutschen Interesse"

Bundesaußenminister Heiko Maas betont im Bundestag, dass der UN-Migrationspakt auch in deutschem Interesse sei. Ziel sei es, die Migration stärker zu regulieren und negative Auswirkungen zu reduzieren.

Quelle: WELT

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Nach kontroverser Debatte spricht sich der Bundestag für den UN-Migrationspakt aus. Die AfD macht im Parlament Front gegen den Text. Dass die übrigen Fraktionen fast eine Phalanx bilden, liegt auch an einem Redner der Rechtspopulisten.

Die, um die es bei dem Thema natürlich auch geht, ist immerhin gekommen. Pünktlich zum Start der Debatte über einen Antrag von Union und SPD zum Globalen Pakt für Migration der Vereinten Nationen betrat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Plenarsaal des Bundestags. Ihr Kabinett sah hingegen mehrheitlich davon ab, sich die äußerst heftige Auseinandersetzung anzuhören. 80 Minuten lang ging es um das Dokument, das in zehn Tagen bei einem Treffen in Marrakesch verabschiedet werden soll.

Nur Außenminister Heiko Maas (SPD) war von Anfang bis Ende dabei. Qua Amt. Wohl nicht qua Neigung, zumindest machte seine Rede diesen Eindruck. Maas ist als Chef des Auswärtigen Amts federführend für die Mitarbeit Deutschlands an dem Vertragswerk, aber auch verantwortlich für die Kommunikation und Information dazu. An Letzteren gab es massive Kritik, auch aus den Regierungsparteien.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warf Maas große Versäumnisse vor, die dazu geführt hätten, dass die AfD den Pakt zu einer Art Verschwörung erklären konnte, durch die Migranten in großer Zahl nach Deutschland gelotst werden sollen. Es war auch Dobrindt, der den Antrag der Regierungsfraktionen initiierte, um den es an diesem Donnerstag ging. Mit ihm und der Debatte darüber wollte er ein Exempel statuieren, wie man mit der AfD umgehen kann.

Kaum mehr erkennbare Zweifel

Dass Maas einen Teil seiner Zeit nutzte, seine Kommunikationsstrategie zu verteidigen, dürfte Dobrindt sicher geärgert haben. „Die Bundesregierung hat von Anfang an die Öffentlichkeit frühzeitig informiert. Überall ist dieser Pakt sehr offen dargestellt worden“, sagte Maas. Viele in der Union wollten dafür keine Hand zum Applaus rühren. Maas hielt sich zum Ärger einiger auch erstaunlich kurz beim Antrag der Regierungsparteien auf. In diesem wird klargestellt, dass der Pakt keinerlei rechtliche Bindekraft für den deutschen Gesetzgeber entfaltet.

Maas lobte den Pakt als „ermutigendes Zeichen für multilaterales Handeln“. Das entrüstete die AfD. Sie stellt sich geschlossen gegen den Pakt. Zweifler gibt es hingegen viele, auch bei Union, SPD, FDP, ja auch der Linken. Doch an diesem Mittag im Bundestag waren diese Zweifel kaum mehr erkennbar. Das Agieren, ja das Agitieren der AfD in den sozialen Netzwerken in den vergangenen Wochen, aber auch der Auftritt ihres Redners Gottfried Curio im Parlament hat die übrigen Bundestagsfraktionen zu einer fast einheitlichen Abwehrfront zusammengeschmiedet.

„Dieser Pakt ist ein trojanisches Pferd““

Der Bundestag hat sich für den UN-Migrationspakt ausgesprochen. Als einen „Akt der Vernunft“ bezeichnet ihn Außenminister Maas. Geschlossen dagegen stellt sich die Afd. Ihr Abgeordneter Curio bezeichnet ihn als „trojanisches Pferd“.

Quelle: WELT

Sie setzten Gelassenheit im Umgang mit dem Pakt gegen die Weltuntergangsszenarien der AfD. Dazu passte, dass nicht die Spitzen der Fraktionen sprachen. So redete nicht Dobrindt, sondern Andrea Lindholz für die CSU, nicht Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus für die CDU, sondern unter anderem Mathias Middelberg. Bei den Grünen sprach Agnieszka Brugger und nicht Fraktionschef Anton Hofreiter, bei der Linken die ruhige Petra Pau und nicht Fraktionschef Dietmar Bartsch.

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Auch während der Debatte war die fast einheitliche Phalanx gegen die AfD deutlich erkennbar. Da klatschten Linke für Redner der CSU und umgekehrt. Da stellten sich Grüne und die Linke nicht hin, um – wie man es eigentlich erwarten hätte können – ein Plädoyer für offene Grenzen zu halten, sondern lediglich um an die Menschlichkeit zu appellieren. Die Grüne Brugger tat sogar etwas, wofür sie sich entschuldigte. Sie lobte Dobrindt dafür, von Anfang an zugunsten des Pakts argumentiert zu haben.

Aus der Phalanx der gemessen vorgetragenen Beiträge fiel nur Alexander Graf Lambsdorff (FDP) wirklich heraus. Er konterte den AfD-Vorwurf, dass über den Pakt lange nicht angemessen berichtet worden sei, indem er konstatierte, über Lügen werde ja auch nicht berichtet. Die kurzzeitige Begeisterung der Parlamentarier hatte er damit auf seiner Seite. Ob er damit jene, die der AfD-Deutung glauben schenken, oder auch nur die Zweifler erreicht hat, darf bezweifelt werden.

Um die Zweifler des Pakts, gerade in bürgerlichen Kreisen, gegen die AfD einzunehmen, dafür hat die Partei womöglich am meisten selbst getan. Nämlich indem sie Curio reden ließ. Dieser erklärte Migration zur „Quelle von Chaos, Gewalt und Verdrängung“, aus ihr resultiere „Terror und Gewalt gegen Andersgläubige“. Migration bezeichnete er als „Unwert“. Den Pakt versteht er als „Aufrüstung der Migranten gegen den Aufnahmestaat“. Am Ende müsse der „dumme Deutsche“ zahlen.

Das soll der Migrationspakt bewirken

Immer mehr Ländern sagen, dass sie nicht dabei sein werden, wenn der internationale Migrationspakt beschlossen werden soll. Dabei ist die Vereinbarung nicht bindend. Er soll Migration steuern, ordnen und letztlich auch begrenzen.

Quelle: WELT / Jana Wochnik

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Curio summierte im Stakkato fast alle Vorwürfe und Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit dem Pakt. Dessen rechtliche Unverbindlichkeit, die im Vertragstext explizit erwähnt ist und auf die der Antrag von Union/SPD sowie die Redner aller übrigen Fraktionen eingingen, erkannte er schlicht nicht an. Dass es sich bei Migranten um Menschen handelt, die in ihrer übergroßen Mehrheit nicht am, wie er insinuierte, Messerstechen und Vergewaltigen interessiert sind, verneinte er im Prinzip vollständig.

Am Ende nahm die Rede noch eine erstaunliche Wendung: Curio bezeichnete die Politik der Regierung als eine „absolut konstante Katastrophe, kurz AKK“. Es war der Versuch, sich auf den Fall vorzubereiten, dass in einer Woche Annegret Kramp-Karrenbauer, kurz AKK, zur neuen CDU-Vorsitzenden gewählt werden könnte. Die AfD wird sicher alles dafür tun, sie als die andere Merkel zu apostrophieren und zum neuen Feindbild zu machen.

Die Gefahr, mit einem Nein zum Antrag der Regierungsfraktionen in die Nähe dieser Curio-AfD gerückt zu werden, mag danach manchem doch zu hoch erschienen sein. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung, die die AfD einforderte, zeigt es. So stimmte etwa Peter Ramsauer (CSU) für den Antrag, obwohl er den Pakt zuletzt immer ablehnte.

Die CDU-Politikerin Veronika Bellmann, die häufig durch sehr rechtskonservative Positionen auffällt, enthielt sich. Nur vier Unionspolitiker stimmten am Ende gegen den Antrag der eigenen Fraktion, drei CDU- und eine CSU-Politikerin. Grüne und FDP enthielten sich komplett. Die Linke stimmte mit Nein, nicht aber ohne zu betonen, den Pakt eigentlich zu unterstützen.

Ob Union und SPD die Deutungshoheit über den Pakt ein Stück weit zurückerlangen können, lässt sich noch nicht sagen. Das wird davon abhängen, wie sie nachwirkt. Ob sich Beiträge in den sozialen Medien verselbstständigen. Und ob Gelassenheit und nüchterne Bewertung überhaupt eine Chance gegen das Heraufbeschwören des Weltuntergangs haben.

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