Angesichts der Spannungen mit Russland verlangt die Ukraine von den Europäern eine entschiedenere Gangart gegenüber Moskau. „Wir fordern von der EU und Deutschland, die Sanktionen gegen Russland zu verschärfen“, sagte der ukrainische Premierminister Wolodymyr Groisman WELT im Anschluss an ein Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin. „Russland ist ein Aggressor und ein Okkupant. Die Eskalation im Asowschen Meer hat das wieder einmal gezeigt.“
Konkret sprach Groisman davon, sogenannte Spiegelhandlungen durchzuführen. Das sei eine Strategie, um mit Russland umzugehen. „Wenn Russland unsere Schiffe illegal festsetzt und unsere Marinesoldaten ins Gefängnis steckt, dann müssen umgekehrt auch russische Schiffe festgesetzt werden.“ Auf Worte müssten Handlungen folgen, nur so könne Druck auf Russland ausgeübt werden.
Das seit Mittwoch für 30 Tage geltende Kriegsrecht in der Ukraine werde nicht verlängert, es sei denn, es komme zu einer weiteren russischen Aggression gegen das Land. „Die Ukraine wird kämpfen und ihre Souveränität verteidigen.“ Mit Blick auf das Kriegsrecht betonte Groisman, dass die demokratischen Freiheiten in der Ukraine und die Wahlen im März keinesfalls eingeschränkt würden.
Die EU hatte am Mittwoch auf neue Sanktionen gegen Russland vorerst verzichtet. Kanzlerin Angela Merkel will am Rande des G-20-Gipfels in Buenos Aires mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über den Ukraine-Konflikt beraten. Sie wolle mit Putin darüber reden, wie die Rechte der Ukraine im Asowschen Meer gewahrt werden könnten, sagte sie.
Merkel warf Russland vor, ostukrainische Häfen wie Mariupol bewusst abschneiden zu wollen. US-Präsident Donald Trump hatte Merkel zuvor explizit als Vermittlerin ins Gespräch gebracht. „Lasst uns Angela einbeziehen“, sagte er in einem Interview der „New York Post“.
Ein ursprünglich geplantes Treffen mit Putin am Rande des G-20-Treffens sagte Trump ab. Er twitterte, weil Russland die festgesetzten ukrainischen Schiffe und Seeleute noch nicht freigelassen habe, habe er beschlossen, dass es das Beste für alle Beteiligten sei, wenn er das Treffen absage.
Auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko plädierte für Merkel als Vermittlerin. Sie sei eine große Freundin der Ukraine, sagte er „Bild“. Sie habe 2015 „durch ihre Verhandlungen in Minsk schon einmal unser Land gerettet, wir hoffen darauf, dass sie uns zusammen mit unseren anderen Alliierten noch einmal so sehr unterstützt“.
Die Grünen forderten Merkel auf, den Dialog zwischen dem Putin und Poroschenko wieder in Gang zu setzen und im Falle einer weiteren Eskalation durch Moskau für eine Verschärfung der EU-Sanktionen einzutreten. Merkel müsse „Putin dazu bringen, mit Poroschenko in direkte Gespräche einzutreten“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt WELT. „Die pauschale Absage des Kreml an eine deutsche Vermittlung im Konflikt erfordert eine klare Reaktion.“