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Leipzigs Niederlage in Salzburg Ego-Show beim "El Dosico"

Nach dem 0:1 im brisanten Brause-Duell gab es für Leipzig in Salzburg auch noch Hohn und Spott. Trainer Ralf Rangnick hingegen rühmte seine eigenen Verdienste.

Ein Stockwerk tiefer führten Salzburgs Spieler gerade noch Freudentänze auf, während oben im Presseraum Leipzigs Trainer Ralf Rangnick Platz nahm. Was folgte, war ein 13-minütiger Auftritt, der bemerkenswerter war als die Leistung seiner Mannschaft.

Rangnicks drei Kernthesen in Kurzform: Das drohende Aus in der Europa League nach dem 0:1 wäre auch nicht so schlimm. Zweitens: In der österreichischen Liga hat Salzburg nur Stümper als Gegner. Und zu guter Letzt, die interessanteste Behauptung nach diesem brisanten Brause-Duell, dem "El Dosico" zwischen RB und RB: Ohne ihn selbst, ohne den Visionär und Wegbereiter Ralf Rangnick, würde es den Salzburger Erfolg in dieser Form ja gar nicht erst geben. Hört, hört.

Häme, Spott und Hohn für Rangnick

Eine Sicht, die Rangnick an diesem Abend weitgehend exklusiv hatte, denn statt großen Danksagungen gab es von den Rängen für ihn vor allem Häme, Spott und Hohn. Der Sieg über den großen und verhassten Bruderklub aus Deutschland war eine Genugtuung für die Heimfans, bei denen sich Leipzig in den vergangenen Jahren ungeniert zu bedienen schien - schließlich mussten die Salzburger in den vergangenen sechs Jahren 16 Spieler an Leipzig abgeben. Gefühlt ein nur zum Ausbluten verdammtes Farmteam für den Emporkömmling aus der deutschen Bundesliga zu sein, genau das war der Grund für die uneingeschränkte Antipathie gegenüber dem Leipziger Trainer und Sportdirektor.

Die Furcht vor einer Absprache zwischen beiden Mannschaften, gar einer Stallorder von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz, war freilich unbegründet. Mochte die Tageszeitung "Kurier" auch vor einem zweiten Gijon gewarnt haben, in Anlehnung an das schäbige Schummelspiel zwischen Deutschland und Österreich bei der WM 1982: Die Schande von Salzburg blieb aus, dafür ging es für beide Teams um viel zu viel. Salzburg brauchte einen Punkt, Leipzig einen Sieg.

Leipzig benötigt Salzburger Schützenhilfe

Erstaunlich nur, dass die Gäste dafür über weite Strecken viel zu passiv agierten, Salzburg dagegen bissiger, giftiger, williger. Hochverdient daher der Siegtreffer durch Fredrik Gulbrandsen eine gute Viertelstunde vor Spielende.

Salzburger Spruchband

Salzburger Spruchband

Foto: Hendrik Schmidt/ dpa

In der Nachspielzeit sangen die Salzburger Zuschauer: "Ohne Salzburg wärt ihr gar nicht hier." Dann entrollten sie ein Spruchband: "Nach dem Europa-League-Aus: Sportdirektor Rangnick wirft seinen Trainer raus." Ob es so weit kommt? Leipzig muss nun am letzten Gruppenspieltag daheim gegen Trondheim gewinnen - und gleichzeitig auf einen Sieg der bereits als Gruppenerster qualifizierten Salzburger im Celtic Park von Glasgow hoffen. Sonst war's das mit Europa.

Was für Rangnick erstaunlicherweise verschmerzbar wäre, wie er später meinte. Er verwies auf das Beispiel Hoffenheim, die vor einem Jahr ebenfalls in der Gruppenphase der Europa League scheiterten - und sich aufgrund der, so Rangnick, ausbleibenden Mehrbelastung für die Champions League qualifizieren konnten. Und genau das sei in dieser Saison schließlich das Hauptziel, ab September 2019 wieder in der Königsklasse dabei sein zu dürfen. Ob man dort weit kommt, wenn man spielt wie am Donnerstag, ist fraglich. Es sei denn, man holt bis dahin wieder fünf bis sechs Salzburger.

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Europa League: Die Liga der ehemaligen Champions

Foto: imago/ United Archives International

Dann, zur zweiten These, erklärte Rangnick: "Solche Abende sind für Salzburg Festtage." Anders als der, so Rangnicks Tenor, lustige Ligaalltag, wo man zu gemütlichen Gastspielen in die Dörfer der österreichischen Provinz tingeln würde und sich dann für die Europacup-Nächte schonen könnte. "Wir hatten am Samstag ein schweres Spiel in Wolfsburg, während Salzburg in Hartberg 4:0 gewann." Eine Behauptung, die Salzburgs Trainer Marco Rose mit einem Schmunzeln konterte: "Fakt ist, wenn wir in Wien, St. Pölten oder Hartberg sind, dann spielt der Gegner mit 120 bis 150 Prozent gegen uns." Von wegen Siege im Schongang und so.

"Europäische Spitzenmannschaft"

Rangnick nannte Salzburg noch eine "europäische Spitzenmannschaft" und rechnete sich diesen Umstand selbst an. "Tatsache ist, dass durch den Einstieg von Herrn Mateschitz ein neues Zeitalter angebrochen ist", so Rangnick, "und spätestens 2012, als ich hier mit Christoph Freund anfing, die Geschicke zu leiten, hat hier eine neue Transferstrategie und Spielweise eingesetzt. Das hat man heute gesehen." Christoph Freund ist übrigens immernoch in Salzburg, als Sportdirektor, Rangnick erwähnte später noch einmal, dass ja er es war, der ihn als Chefscout damals hergeholt habe.

In genau einem halben Jahr, am 29. Mai, steigt das Europa-League-Finale in Baku. Sollte RB Salzburg dort den Titel holen, ist das dann sicher auch das Hauptverdienst von Ralf Rangnick. Zumindest nach Meinung von Ralf Rangnick.

RB Salzburg - RB Leipzig 1:0 (0:0)
1:0 Gulbrandsen (74.)
Salzburg: Walke - Lainer, Ramalho, Pongracic, Ulmer - Wolf (87. Daka), Samassekou - Schlager, Junuzovic - Dabbur (90.+2 Prevljak), Gulbrandsen (76. Minamino)
Leipzig: Mvogo - Mukiele (70. Klostermann), Orban, Upamecano, Saracchi (78. Halstenberg) - Ilsanker - Laimer, Bruma - Cunha, Augustin (62. Poulsen), Timo Werner
Schiedsrichter: Orel Grinfeld (Israel)
Zuschauer: 29.500 (ausverkauft)
Gelbe Karten: Lainer - Ilsanker (2), Bruma, Cunha