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Bahnstreik Deutsche Bahn: Diese Rechte haben Fahrgäste bei Verspätung und Zugausfall

Egal ob Sturm, Zugausfall oder Warnstreik, die Bahnkunden haben Anspruch auf Entschädigung oder Kostenerstattung.
Egal ob Sturm, Zugausfall oder Warnstreik, die Bahnkunden haben Anspruch auf Entschädigung oder Kostenerstattung.
© Lisa Ducret / DPA
Wenn die Deutsche Bahn streikt, ist Chaos vorprogrammiert. Aber welche Rechte haben Fahrgäste bei Verspätungen und Zugausfällen? Ein Überblick. 

In ganz Deutschland stehen ab Mittwoch die Züge still. Der Warnstreik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG der Schienenverkehr sorgt damit erneut für Chaos an deutschen Bahnhöfen. Für Fahrgäste bedeutet das oft große Einbußen – zeitlich und finanziell. 

Ist ein Zug über ein Stunde verspätet, haben Bahnreisende Anspruch auf eine Teilerstattung ihrer Fahrkarte. Doch noch immer wissen nicht alle Kunden der Deutschen Bahn, was ihnen im Fall einer Zugverspätung oder eines kompletten Ausfalls zusteht. Der stern gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wann gibt es eine Entschädigung?

Ab einer Verspätung von 60 Minuten muss die Bahn zahlen. Maßgeblich ist die Differenz zwischen geplanter und tatsächlicher Ankunftszeit am Zielort. Das gilt auch bei Nutzung mehrerer Züge verschiedener Bahnunternehmen und bei verpassten Anschlusszügen. Hat zum Beispiel der Regionalexpress aus Cottbus nach Berlin-Hauptbahnhof zum ICE nach Hannover Verspätung und der Reisende kann erst mit dem nächsten ICE eine Stunde später weiterreisen, ist eine Entschädigung fällig.

Bei Zugausfällen und -verspätungen müssen Bahnunternehmen in der EU seit letztem Sommer jedoch keine Entschädigungen mehr zahlen, wenn außergewöhnliche Umstände der Grund sind, auf die sie keinen Einfluss haben: Das sind etwa extreme Witterung, Polizeieinsätze, Kabeldiebstähle, Noteinsätze im Zug oder Menschen auf den Gleisen.

Mit welchen Erstattungsbeträgen kann ich rechnen?

Bahnreisende haben ab 60 Minuten Verspätung Anspruch auf Erstattung von 25 Prozent des Fahrpreises, ab 120 Minuten auf 50 Prozent.

Wo erhalte ich eine Bestätigung?

Auf dem Fahrschein haben die Zugbegleiter bei der Entwertung per Zange das Datum und die Zugnummer dokumentiert. Ebenso sind digitale Tickets auf dem Smartphone im System hinterlegt. Die Schaffner und Mitarbeiter an den DB Service Points bestätigen die Verspätungen. Wichtig: Auch ohne diese Bescheinigung ist eine Erstattung inzwischen möglich. Denn die Servicecenter haben Zugriff auf alle Bahn-Reisedaten inklusive nachprüfbarer Verspätungen.

Welches Formular benötige ich?

Das Fahrgastrechte-Formular. Auf dem zweiseitigen DIN-A4-Papier trägt der Kunde ein, welche Fahrkarte er genutzt hat, den geplanten und den tatsächlichen Reiseverlauf und die gewünschte Art der Erstattung. Das Formular gibt es beim Schaffner und im Reisezentrum. Das ausgefüllte Formular muss zusammen mit der Originalfahrkarte oder Kopie der Zeitkarte im Reisezentrum abgegeben werden. Auch kann es per Post an das Servicecenter Fahrgastrechte in 60647 Frankfurt am Main geschickt werden. Das Fahrgastrechte-Formular ist auch im Internet abrufbar, muss ausgedruckt und ausgefüllt werden.

Funktioniert die Erstattung auch bargeldlos?

Es gibt drei Möglichkeiten der Erstattung: Bargeld am Schalter, Überweisung auf das angegebene Bankkonto oder in Form eines Gutscheins, der ein Jahr gültig ist. Letzterer kann beim Kauf der nächsten Fahrkarte am Schalter, am Automaten oder im Internet eingelöst werden.

Kann ich auch online meinen Entschädigungsanspruch geltend machen?

Ja, allerdings nur, wenn die Fahrkarte für die Reise, für die Ansprüche eingereicht werden, über ein Kundenkonto gekauft worden bzw. im Kundenkonto hinterlegt ist, kann über ein Log-in auf bahn.de oder über die App "DB Navigator" die Entschädigung beantragt werden.

Welche Ausnahmen gibt es?

Es gilt eine Bagatellgrenze von vier Euro. Liegt die Entschädigung darunter, wird nichts erstattet. Keine Haftung übernimmt die Bahn in Fällen, für die sie nichts kann, wie zum Beispiel bei Personenschaden (Suizid) auf der Strecke oder eigenem Verschulden des Reisenden.

Im Gegensatz zu Flugreisenden haben Bahnkunden auch bei Streik Anspruch auf Entschädigung oder Kostenerstattung.

Gibt es auch eine Erstattung bei Unwetter?

Auch bei Wetterkapriolen gelten die Fahrgastrechte, so hat es der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits 2013 beschlossen. Beeinträchtigt zum Beispiel ein Sturmtief den Bahnverkehr, gibt es bei Verspätungen trotzdem eine Entschädigung.

Erhalten auch Zeitkarten-Inhaber eine Erstattung?

Für diesen Personenkreis hat die Bahn Pauschalbeträge als Entschädigung festgelegt. Für eine Verspätung von 60 Minuten bekommen Zeitkartenbesitzer des Nahverkehrs eine Gutschrift von 1,50 Euro. Sie müssen also mindestens drei solcher Verspätungen geltend machen, um die Bagatellgrenze von vier Euro zu überspringen. Inhaber von Fernverkehrs-Zeitkarten und der Bahncard 100 bekommen fünf Euro pro 60-Minuten-Verspätung.

Innerhalb welcher Frist muss ich meinen Antrag einreichen?

Der Bahn-Kunde hat drei Monate nach Ablauf der Gültigkeit seiner Fahrkarte die Möglichkeit, sein Fahrgastrechte-Formular anzumelden.

Kann ich auch eine Taxi-Quittung einreichen?

Sollte der Zug laut Fahrplan zwischen Mitternacht und 5 Uhr am Zielort ankommen und ist eine Verspätung von 60 Minuten zu erwarten, können Reisende stattdessen Bus oder Taxi benutzen. Eine Taxi-Quittung wird bis maximal 80 Euro erstattet.

Wird auch eine Hotelrechnung erstattet?

Sollte sich die Bahnfahrt aufgrund einer Verspätung mit der letzten fahrplanmäßigen Verbindung des Tages nicht mehr fortsetzen lassen, werden "angemessene Übernachtungskosten" für ein Hotel erstattet. Das Bahnunternehmen hat das Recht die Unterbringung im Hotel auf höchstens drei Nächte begrenzen.

Gibt es eine Erstattung bei Nichtantritt einer Bahnreise?

Zeichnet sich schon vor Reisebeginn eine Verspätung von mehr als 60 Minuten ab, kann der Fahrgast von seiner Reise zurücktreten und sich den vollen Fahrpreis - bei Nutzung einer Teilstrecke den nicht genutzten Anteil - erstatten lassen.

Kann ich bei Verspätungen statt mit dem Regionalexpress auch mit einem ICE fahren?

Wenn eine Zugverspätung von mindestens 20 Minuten angekündigt wird, dürfen Reisende auf einen höherwertigen, nicht reservierungspflichtigen Zug umsteigen. In der Praxis ist das System jedoch kompliziert: "Kunden mit einer Nahverkehrsfahrkarte müssen zunächst eine gültige Fernverkehrs-Fahrkarte, beziehungsweise den Produktübergang" -  z. B. vom Regional Express zum ICE - bezahlen, heißt es bei der Bahn. Anschließend kann der Kunde sich die Differenz erstatten lassen. Die Regelung gilt nicht für "erheblich ermäßigte Fahrkarten", wie das Schöne-Wochenende- oder Länder-Ticket.

An wen kann ich mich wenden, wenn mein Antrag abgelehnt wurde?

Bei Beschwerden über Entscheidungen des Servicecenter Fahrgastrechte kann man sich an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. (söp) wenden. Die Adresse: Fasanenstraße 81, 10623 Berlin. Tel. 030 - 6 44 99 330, E-Mail: kontakt(at)soep-online.de

Wo finde ich weitere Infos im Internet?

Fahrgastseiten der Deutschen Bahn: www.bahn.de/fahrgastrechte
Fahrgastrechte-Formular der Bahn: zum Online-Formular
Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V.: www.soep-online.de

Hinweis: Dieser Artikel wurde seit seinem ersten Erscheinen überarbeitet

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