In der Weihnachtsbäckerei: In 11 Schritten zum perfekten Stollen

Vorsicht, kalt und fettig: Die Dresdener Bäckermeister Michael (64, l.) und Andreas Wippler (40) führen BamS Redakteurin Sandra Basan in die hohe Kunst der Stollenbäckerei ein. Bisher beglückte sie ihre Familie nur mit schnöden Mürbeteigplätzchen

Vorsicht, kalt und fettig: Die Dresdener Bäckermeister Michael (64, l.) und Andreas Wippler (40) führen BamS Redakteurin Sandra Basan in die hohe Kunst der Stollenbäckerei ein. Bisher beglückte sie ihre Familie nur mit schnöden Mürbeteigplätzchen

Foto: Parwez
Von: Sandra Basan

Wer einen echten Dresdener-Christstollen-Bäcker sprachlos ­sehen will, muss ihn beim gemeinsamen Backen nur fragen, wann denn endlich das Marzipan in den Teig kommt. Andreas Wippler (40) steht in seiner Backstube im Stadtteil Pillnitz. Eben noch formte er einen zwei Kilo schweren Rosinen-Hefeteig-Klumpen nach dem anderen per Hand zur Kugel. Nun rollt er nur noch mit den Augen: „In den klassischen Dresdener Christstollen kommt doch kein Marzipan. Der Stollen ist auch so saftig genug.“

Er muss es wissen. Andreas Wippler hat die Lizenz zum Backen, die sogenannte Stollenlizenz. Damit gehört er zu den aktuell 125 Bäckereien und Konditoreien in und um Dresden, die den weltberühmten Rosinenstollen herstellen dürfen. Der ist erkennbar am goldenen Stollensiegel. Und am Geschmack.

Seit dem Mittelalter hüten die Bäcker ihre Rezepte und geben sie von Generation zu Generation weiter. Wippler backt nach dem Rezept seines Urgroßvaters Max. „Jeder Bäcker verleiht seinem Stollen eine ganz persönliche Note“, sagt Andreas Wippler, der seine natürlich nicht verrät.

Die Grundzutaten indes sind kein Geheimnis: Mehl, Milch, Butter und Hefe, Zitronat, Orangeat, Zucker und Salz, süße und bittere Mandeln, Zitronenschale und Orangenschale, Muskatnuss – und in Rum eingelegte Rosinen. Genauer Sultaninen, eine helle und kernlose Variante der Rosinen. Je mehr, desto besser. „Sonst sind es Schreistollen. So nennt man Stollen mit wenigen Rosinen, die so weit auseinander liegen, dass sie sich anschreien müssen“, erklärt Wippler lächelnd den Qualitätsunterschied und nimmt einen kräftigen Schluck „Bäcker-Benzin“.

Kaffee gehört aufgrund des Schlafdefizits zum Bäckerberuf wie der Backofen, der nebenbei auf 200 Grad hochheizt und die historische Backstube im einstigen Kammergut des Schlosses Pillnitz muckelig wärmt. Hier geben Andreas Wippler und sein Vater Michael (64) vor allem in der Adventszeit Backseminare.

Gemeinsam mit ihren 22 Mitarbeitern backen sie natürlich keine Schreistollen, sondern Flüster­stollen. Und das auch nicht in der Museumsbackstube, sondern in der modernen Bäckerei nebenan. Mit Digitalwaage statt ­Bäckergalgen. Und mit einem neunstöckigen ­Automatikofen. Das erleichtert die Arbeit ungemein. Trotzdem ist und bleibt die Stollenproduktion Handarbeit. „Wir nehmen jeden Stollen zwölfmal in die Hand“, so Wippler senior. Nach dem ­Backen wird der Stollen ­zweimal gebuttert, gezuckert und verpackt.

Das macht ihn am Ende teuer. 16 Euro kostet ein Kilo Stollen ­dieses Jahr. Mit den industriell gefertigten, die im Supermarkt für 6,99 Euro pro Kilo verkauft werden, können die Wipplers nicht mithalten. Und irgendwie wollen sie es auch gar nicht: „Backen ist Handwerk. Du verkaufst ein Gefühl mit“, weiß Michael ­Wippler. Als Präsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks ist er viel unterwegs. Jetzt zur Weihnachtszeit hat er gern wieder die Hände am Teig. Es ist auch viel zu tun. Von den insgesamt vier Millionen Dres­dener Stollen dieser Saison werden die Wipplers gut 20 000 backen. Bis kurz vor ­Heiligabend verlassen täglich 300 bis 1000 Stück den Ofen.

Gebacken wird seit Oktober immer ab 7 Uhr morgens, wenn das Tagesgeschäft erledigt ist. „Die Hälfte unserer Stollen verkaufen wir mittlerweile online“, erklärt der ­zweifache Familienvater Andreas Wippler stolz, während er die Tür zum Stollenlager öffnet. Hier warten Hunderte Christstollen gut gekühlt auf ihren Versand. Längst wird das Traditionsgebäck nicht mehr nur in Deutschland gegessen, sondern in alle Welt verschickt, bis nach Japan und Brasilien.

Neben dem klassischen Dresdener Christstollen können bei Wipplers übrigens auch Mohn- , Mandel- oder Schokostollen ­geordert ­werden. Auf ganz besonderen Kundenwunsch backen sie auch einzelne Exemplare mit Marzipan.

In 11 Schritten zum perfekten Rosinen-Stollen nach Dresdener Art

1. Die Zutaten (für einen 2-Kilo-Stollen): 460 g Sultaninen, 40 ml Rum, 170 ml Vollmilch, 55 g Frischhefe, 600 g Weizenauszugsmehl, 7 g Salz, 95 g Kristallzucker, 120 g süße Mandeln, 40 g bittere Mandeln, 250 g Butter, 50 g Butterschmalz, 80 g Zitronat, 80 g Orangeat, 15 g Zitronenschale, 1 g Muskatblüte oder VanilleschoteFür das Dekor: 100 g ausgelassene Butter, 50 g Kristallzucker, 50 g Puderzucker

1. Die Zutaten (für einen 2-Kilo-Stollen): 460 g Sultaninen, 40 ml Rum, 170 ml Vollmilch, 55 g Frischhefe, 600 g Weizenauszugsmehl, 7 g Salz, 95 g Kristallzucker, 120 g süße Mandeln, 40 g bittere Mandeln, 250 g Butter, 50 g Butterschmalz, 80 g Zitronat, 80 g Orangeat, 15 g Zitronenschale, 1 g Muskatblüte oder VanilleschoteFür das Dekor: 100 g ausgelassene Butter, 50 g Kristallzucker, 50 g Puderzucker

Foto: Parwez

2. 200 g Mehl mit 100 ml Milch und der Hefe zu einem Vorteig ver­kneten und 30 Minuten abgedeckt ruhen lassen. Bäcker buddeln den Vorteig ins restliche Mehl ein

2. 200 g Mehl mit 100 ml Milch und der Hefe zu einem Vorteig ver­kneten und 30 Minuten abgedeckt ruhen lassen. Bäcker buddeln den Vorteig ins restliche Mehl ein

Foto: Parwez

3. Bis auf die Sultaninen werden alle anderen Zutaten dazugegeben

3. Bis auf die Sultaninen werden alle anderen Zutaten dazugegeben

Foto: Parwez

4. Der mittelfest verknetete Teig muss zugedeckt circa 60 Minuten reifen

4. Der mittelfest verknetete Teig muss zugedeckt circa 60 Minuten reifen

Foto: Parwez

5.  Die am Vortag in Rum eingelegten Sultaninen werden hinzugefügt, der Teig wird nochmals geknetet

5. Die am Vortag in Rum eingelegten Sultaninen werden hinzugefügt, der Teig wird nochmals geknetet

Foto: Parwez

6.  Da in der Backstube größere Teigmengen angerührt werden, muss genau auf 2000 g abgewogen werden

6. Da in der Backstube größere Teigmengen angerührt werden, muss genau auf 2000 g abgewogen werden

Foto: Parwez

7.  Der Rosinen-Hefeteig wird zu einer länglichen Rolle geformt

7. Der Rosinen-Hefeteig wird zu einer länglichen Rolle geformt

Foto: Parwez

8.  Auf der Oberseite wird der Stollen der Länge nach mit einem Messer 2 Zentimeter tief eingeschnitten

8. Auf der Oberseite wird der Stollen der Länge nach mit einem Messer 2 Zentimeter tief eingeschnitten

Foto: Parwez

9.  Den Stollen in den auf 180 Grad vorgeheizten Backofen schieben und eine Stunde backen

9. Den Stollen in den auf 180 Grad vorgeheizten Backofen schieben und eine Stunde backen

Foto: Parwez

10.  Nach dem Abkühlen werden die ange­brannten Rosinen entfernt. Anschließend wird der Stollen heiß gebuttert und in Kristallzucker gewälzt. Dadurch wird er versiegelt und hält länger

10. Nach dem Abkühlen werden die ange­brannten Rosinen entfernt. Anschließend wird der Stollen heiß gebuttert und in Kristallzucker gewälzt. Dadurch wird er versiegelt und hält länger

Foto: Parwez

11.  Vor dem Servieren oder Verpacken wird der Christstollen fein mit Puderzucker bestäubt

11. Vor dem Servieren oder Verpacken wird der Christstollen fein mit Puderzucker bestäubt

Foto: Parwez

Die Geschichte des Dresdener Stollens

Bis ins Mittelalter war der Stollen ein Fastengebäck aus Mehl, Wasser, etwas Öl und Hefe. Erst im Jahr 1491 erlaubte Papst Innozenz VIII. den sächsischen Bäckern, ihr Stollengebäck mit Butter anzureichern. Ab dem 16. Jahrhundert wurde der Stollen auf dem Dresdner Striezelmarkt angeboten, seitdem heißt er auch „Striezel“.

Seit 1996 ist er markenrechtlich geschützt, seit 2010 auch geografisch. Nur 125 Bäcker in und um Dresden dürfen ihn backen.

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