Ulrich Kelber: Bundestag wählt Informatiker zum Bundesdatenschutzbeauftragten

Der frühere Justizstaatssekretär Ulrich Kelber löst Andrea Voßhoff an der Spitze der Bundesdatenschutzbehörde ab und erhält einige Vorschusslorbeeren.

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Ulrich Kelber: Bundestag wählt Informatiker zum neuen Bundesdatenschutzbeauftragten

Ulrich Kelber

(Bild: dpa)

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Mit der Mehrheit von 444 zu 176 Stimmen bei 37 Enthaltungen hat der Bundestag am Donnerstag den Diplom-Informatiker Ulrich Kelber zum neuen Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) gewählt. Der SPD-Abgeordnete soll damit Anfang 2019 die CDU-Rechtspolitikerin Andrea Voßhoff an der Spitze der unabhängigen, in Bonn angesiedelten Behörde beerben. Kelbers Kernaufgabe wird es laut Gesetz sein, die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften zu kontrollieren und über Risiken im Umgang mit personenbezogenen Daten aufzuklären.

Kelber bezeichnete gegenüber heise online als eine seiner wichtigsten Aufgaben im neuen Amt, das europaweite Datenschutzrecht durchzusetzen. "Die europaweite Harmonisierung beim Datenschutz ist Voraussetzung dafür, auch den großen, nichteuropäischen Internetkonzernen auf Augenhöhe begegnen und unsere europäischen Datenschutzstandards durchsetzen zu können."

Als weitere bedeutende Themen machte Kelber aus, dass der Staat seine Dienstleistungen verstärkt auch auf digitalen Wegen anbieten werde, was aber nicht dazu genutzt werden dürfe, noch mehr Informationen über die Bürger zu sammeln. Bei den Sicherheitsbehörden wolle er ein Auge darauf werfen, dass sie angesichts ihrer in den jüngsten Jahren massiv ausgebauten Befugnisse "vorbildlich die Grundprinzipien des Datenschutzes einhalten". Auf EU-Ebene will Kelber dazu beitragen, "den Datenschutz weiterzuentwickeln und dabei Profiling und Scoring effektiv zu regulieren". Hierzulande müsse die Idee der Informationsfreiheit ausgebaut werden.

Kelber gilt im Gegensatz zu seiner Vorgängerin, die in ihr Amt hineinwachsen musste und sich vor allem anfangs mit öffentlichen Äußerungen zurückhielt, bereits als Datenschutz- und Digitalexperte. Als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium machte er sich unter anderem für einen klareren Rechtsrahmen fürs Scoring zur Bonitätsprüfung sowie einfachere Datenschutzerklärungen für Webseiten oder Apps in Form sogenannter One Pager stark.

Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung kritisierte Kelber im März Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) scharf für ihre Ansicht, dass in Deutschland "ein Datenschutz wie im 18. Jahrhundert" vorherrsche. Es gehe hier um den Grundrechtsschutz. 2011 hatte er sich gegen einen Beschluss der SPD für die verdachtsunabhängige monatelange Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Vier Jahre später stimmte er im Parlament aber mit der großen Koalition dafür, eine solche verdachtsunabhängige Protokollierung von Nutzerspuren mit verkürzten Speicherfristen wieder einzuführen. Dagegen sind zahlreiche Beschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig.

Von Voßhoff kann Kelber eine im Vergleich zu den Landesdatenschutzbeauftragten gut ausgestattete Behörde übernehmen. Die Juristin setzte mit Rückendeckung aus der CDU/CSU-Fraktion durch, dass sie deutlich mehr Mitarbeiter erhielt und sich die verfügbaren Stellen damit fast verdoppelten. Um allein die Herausforderungen zu meistern, die mit der noch recht frischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verbunden sind, dürfte der Personalzuwachs aber trotzdem eher einem Tropfen auf den heißen Stein gleichkommen.

Streit gibt es im Lichte der DSGVO über das Auswahlverfahren für den BfDI, da derzeit jeweils im Wechsel eine an der Regierung beteiligte Fraktion einen Kandidaten benennen darf. Im Fall von Kelber waren die Sozialdemokraten an der Reihe. Malte Engeler, Richter am Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht, verwies jüngst darauf, dass nach Artikel 53 DSGVO die Spitze einer Datenschutzaufsichtsbehörde jedoch "im Wege eines transparenten Verfahrens ernannt" werden müsse. Ein solches sei mit der bisherigen Praxis ohne öffentliche Stellenausschreibung samt entsprechender Auswahl- und Ernennungsvorgaben nicht gegeben.

Andere DSGVO-Kommentatoren gehen dagegen davon aus, dass der BfDI mit der Wahl durch den Bundestag seine demokratische Legitimation erhalte. Auch sie geben aber zu bedenken, dass "ein Vorschlag durch das Parlament selbst oder seine Fraktionen" die Unabhängigkeit der oder des Beauftragten stärken würde.

"Das Verfahren ist das der großen Koalition. Wir hätten es uns auch gut anders vorstellen können", sagte der grüne Fraktionsvize Konstantin von Notz. "Den vorgeschlagenen Kandidaten finden wir aber gut und halten ihn für fachlich geeignet." Die SPD-Netzpolitikerin Saskia Esken erklärte, dass der Bundestag die Wahl in öffentlicher Sitzung vornehme. Dies stelle "ein Höchstmaß an demokratischer Legitimation und Transparenz dar". Wer solche Spitzenämter besetzen solle, verabredeten die Parteien und Fraktionen klar im Rahmen der Koalitionsverhandlungen. Generell halte sie Kelber für einen "hochkompetenten und hochengagierten, überzeugten Datenschützer", mit dessen Einsatz ein hohes Durchsetzungsniveau mit "den Chancen der Datennutzung für sozialen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt" versöhnt werden könnten. (anw)