Ödön von Horváths "Glaube Liebe Hoffnung" im Münchner Volkstheater Nina Steils spielt die Hauptrolle

Premiere im Volkstheater: Nina Steils spielt die Hauptrolle in Ödön von Horváths "Glaube Liebe Hoffnung".  Hier spricht sie über die Neu-Inszenierung von Intendant Christian Stückl.
| Michael Stadler
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Nina Steils und Oleg Tikhomirov spielen Horváth.
Gabriela Neeb Nina Steils und Oleg Tikhomirov spielen Horváth.

München - Es gibt Zeiten, gerade in jungen Jahren, da hat man eben einen Haufen Jobs, um sich irgendwie über Wasser zu halten. Oder um auszuprobieren, was man wirklich machen will im Leben. Nina Steils hatte so eine Phase, und die ist noch gar nicht so lange her. Geboren 1992 im Luftkurort Bergen am Chiemsee besuchte sie eine Waldorfschule in Salzburg, brach diese im Teenageralter ab und landete eine Weile später in München, wo sie unter anderem ihrem Traum von der Schauspielerei nachging.

Ab 2011 spielte sie am Gärtnerplatztheater im Musical "Grand Hotel" mit, am "Theater… und sofort" besetzte sie Heiko Dietz in seinem Stück" Jane the Quene" in der Hauptrolle. 2012 machte Nina Steils beim Kindermusical "Die Kuh, die wollt ins Kino gehen" im Lustspielhaus mit und tourte ein Jahr später mit dem Kulturmobil Niederbayern als Cecile de Volanges in "Gefährliche Liebschaften". Nebenbei räumte sie als "Singing waitress" in "Schubecks Teatro" zwischen den Einlagen singend ab. Jobbte in einer Bäckerei. Und arbeitete beim Catering: "Einmal war ich in der Allianz-Arena in der Audi-Box. Die ließen es schon ordentlich krachen. Herablassend wurde ich aber nicht behandelt. Die Leute waren sowieso im Spiel vertieft und dankbar, wenn ich ihnen zwischendurch ein Bier brachte."

Nach einem verzweifelten Überlebenskampf klingt das nicht, aber so ein bisschen kann Nina Steils schon nachvollziehen, was in Elisabeth vor sich geht, der Hauptfigur, ja, dem pochenden Herzzentrum in Ödön von Horváths viel gespieltem Stück "Glaube Liebe Hoffnung" von 1932. Als Verkäuferin von Damenunterwäsche schlägt Elisabeth sich durchs Leben und gerät ins Schleudern, so dass sie gar auf die Idee kommt, ihre eigene Leiche vorab an ein Anatomisches Institut zu verkaufen.

Die Weltwirtschaftskrise nagt an allen Existenzen, aber immerhin leiht ein schüchterner Tierpräparator Elisabeth 150 Mark, womit sie, ohne dass er es weiß, ein Bußgeld begleicht. Denn sie hat ihr Gewerbe ohne Lizenz ausgeübt, und die Lizenz kostet Geld. Um arbeiten zu können, muss man also erstmal einiges ausgeben – eine verquere Situation, die Elisabeth innerhalb der kleinbürgerlichen Gesellschaft, die sie umgibt, immer mehr zur Außenseiterin macht: "Darin liegt die Tragik des Stücks", meint Nina Steils,"dass sie eigentlich nichts Böses tut, aber jede Lappalie sie weiter hinunter reißt. Ein dummer Zufall führt zum nächsten, bis sie am Schluss ganz alleine dasteht."

Nina Steils und Oleg Tikhomirov spielen Horváth.
Nina Steils und Oleg Tikhomirov spielen Horváth. © Gabriela Neeb

Als Opfer der Umstände und bemitleidenswerte Scheiternde möchte Nina Steils diese Figur jedoch nicht sehen. Dafür hat Horváth Elisabeth viel zu viel Widerstandskraft gegeben. "Immer, wenn sie innerhalb der Gesellschaft zu scheitern droht, sagt sie, nö, dann ziehe ich es lieber alleine durch. Das kennt man doch auch: Manchmal denkt man sich, ich sage lieber nicht, was ich denke, damit die anderen mich weiter lieb und nett finden. Und manchmal steht man eben zu seiner Meinung. Dadurch, dass Elisabeth sich dabei selbst nie bemitleidet, entsteht gar keine so trostlose Stimmung."

Von einer dunklen Seite aber auch einer "Schmunzelseite" des Stücks spricht Nina Steils, "wobei man ja gerade über das Dunkle manchmal lachen kann." Die Inszenierung von Intendant Christian Stückl empfindet sie als lebensnah, was auch mit dem Probenprozess zu tun hat. Wie immer bei Stückl saß das Ensemble erstmal wochenlang an einem Tisch und ging das Stück akribisch durch. "Das finde ich großartig, dass er erstmal eingehend anhand des Textes schaut, wie eine Figur so drauf ist. Er legt auch überhaupt keinen Wert darauf, einen bestimmten Stil durchzudrücken, sondern ist sehr offen. Wenn man während der Proben aus dem Privaten erzählt, lässt er das einfließen. Deswegen entsteht auch keine Düsterkeit, die über allem schwebt, sondern es ist so grau, wie das Leben nun mal ist."

Stückl hat Steils direkt nach ihrem Schauspielstudium am Salzburger Mozarteum ans Volkstheater geholt, in der letzten Spielzeit war das schon. Seither hat sie sich in diversen Rollen bemerkbar gemacht, als strikte Amme in "Romeo und Julia", die unverhofft mit Mönch Lorenzo anbandelt. Oder als aufreizende, mit den Männern souverän spielende Canina in "Volpone". Oder in der Koltès-Collage "In den Straßen keine Blumen" als jüngste Tochter Bernarda Albas, die den Freitod sucht.

Nachdem ihre Beziehung zum Polizisten Alfons ebenfalls am bürgerlichen Kleinsinn zerbricht, will auch Elisabeth sich das Leben nehmen. Sie geht ins Wasser. Wird aber wieder rausgefischt." Das ist schon fies: Davor wollten sie alle nicht und nun wird sie zurückgeholt. Aber sie bäumt sich dann noch mal ordentlich auf!" Nina Steils wirkt selbstbewusst, warm und klar in der Ausstrahlung, freundlich bei den simpelsten Fragen, kennt aber auch Unsicherheit. "Ich glaube, dass geht vielen so, die diesen Beruf ausüben: dass man sich auf der Bühne einfach besser fühlt. Es gibt Leute, die auch im Alltag sehr offen sind. Aber mir fällt das eher schwer. Im Theater kann ich meinen Impulsen folgen und fühle mich frei."

Eine leise Möglichkeit, sich von den Zwängen der Sitten und einer scheinheiligen Moral zu befreien, findet sich durchaus bei Horváth. Nur nutzt die keiner. Und als Rebellin steht Elisabeth allein da. Für den Zuschauer aber, findet Nina Steils, lässt sich eine positive Botschaft finden: "Vielleicht sitzt man ja drin und denkt sich: Ach schön, endlich mal ein Stück, wo ich sehe, dass es den anderen um mich herum auch nicht so gut geht, obwohl sie so tun, als ob. Vielleicht könnte ich ja mein Leben ändern!"


Volkstheater, Premiere heute, 19.30 Uhr, Restkarten evtl. an der Abendkasse

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