Handball
Ein Hauch von Ronaldo – warum ein eigentlich bedeutungsloses HSC-Tor die Schachenhalle zum Beben brachte

Das Spiel war schon lange entschieden. Der HSC Suhr Aarau würde das Spiel gegen Gossau gewinnen, daran bestand kein Zweifel. Doch ein HSC-Tor kurz vor Schluss liess die Halle noch einmal jubeln, als wäre es der Siegtreffer gewesen. Wie es dazu kam.

Yannick Fischer
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Eine Seltenheit: Martin Prachar, der Abwehrspieler des HSC Suhr Aarau im Abschluss.

Eine Seltenheit: Martin Prachar, der Abwehrspieler des HSC Suhr Aarau im Abschluss.

Archiv/Alexander Wagner

Martin Prachar springt in die Luft und dreht sich um 180 Grad. Bei der Landung streckt er die Arme nach hinten und das Becken nach vorne. Oder einfacher erklärt: Er jubelt wie Cristiano Ronaldo, begleitet vom tosenden Jubel der Zuschauer und der HSC-Spielerbank. Martin Prachar hat soeben einen Siebenmeter verwandelt. Gegen Gossau. Beim Stand von 37:22. 13 Sekunden vor Schluss.

Für Aussenstehende schwer nachvollziehbar. «Wieso gehen die alle so ab? Das Spiel ist doch längst entschieden», könnte man sich denken. Trotzdem fühlt sich die Szenerie irgendwie so an, als hätte auch Gossau 37 Tore geschossen und Prachar soeben den Siegtreffer erzielt. Warum?

Dahinter steckt eine spezielle Geschichte. Es geht um eine Wette, die Prachar mit seinem Tor gegen Gossau gewonnen hat. Dafür, dass der 38-jährige Tscheche sein erstes Saisontor erzielte, wird er von HSC-Geschäftsführer Lukas Wernli auf einen Chateaubriand eingeladen. «Die Wette hatten wir schon letzte Saison laufen», sagt Wernli. «Damals sollte er 10 Tore schiessen. Das hat er aber nicht geschafft.»

Denn Prachar ist beim HSC nicht fürs Tore schiessen, sondern fürs Tore verhindern zuständig. Das wissen auch die Fans. Was erklärt, warum der Jubel über seinen Treffer dermassen lautstark war. Es war sein zehntes Tor im 86. Spiel. Und womöglich auch sein Speziellstes. «Die Fans wurden alle so laut, als ich zum Siebenmeter anlief. Ich dachte, Ronaldo sei grad in die Halle reingekommen», scherzt Prachar. «Ich bin froh, dass der Ball reingegangen ist. Aber im Endeffekt war das natürlich alles Spass. Denn es ist schon eine Kuriosität, dass ich mal ein Tor schiesse.» Dass Geschäftsführer Wernli nun eine Wettschuld zu begleichen hat, stört ihn nicht. Im Gegenteil: «Martin hat diesen besonderen Moment unglaublich verdient. Die ganze HSC-Familie hat ihm dies von Herzen gegönnt.»

«Es ist nicht fertig, bevor es fertig ist»

Eines möchte Prachar aber trotz all des Trubels klarstellen: «Ich würde mich nie über einen gegnerischen Torhüter lustig machen. Ich habe höchsten Respekt vor meinen Gegnern. Letztendlich war das ein ganz normaler Siebenmeter.»

Das Tor von Prachar sorgte folglich für den 38:22-Endstand und den dritten HSC-Sieg in Serie. Es war eine kleine Vorentscheidung im Kampf um die Finalrunde. Der HSC liegt nun mit 12 Punkten auf dem fünften Platz. Das siebtplatzierte Kriens hat vier Punkte Rückstand. Vier Spiele sind noch zu absolvieren. Wenn alles normal läuft, sollte sich der HSC unter den ersten Sechs platzieren und damit für die Finalrunde qualifizieren. Doch Prachar warnt vor einer zu grossen Lockerheit. «Es ist nicht fertig, bevor es fertig ist. Klar, wir haben uns eine gute Position erarbeitet, wir können ruhig und mit weniger Druck spielen, aber wir müssen trotzdem jedes Spiel ernst nehmen.»

Eine offene Rechnung

Das Nächste findet am Sonntag statt. Es geht gegen den amtierenden Meister Thun. Das Hinspiel vor einem Monat verlor der HSC mit 23:27. «Sie haben uns eine Lektion erteilt», gesteht der Tscheche. «Nach diesem Spiel habe ich mir geschworen, alles dafür zu tun, dass das nicht nochmal passiert. Vor allem nicht vor heimischem Publikum. Es geht um die Ehre.»
Prachar ist bereit. Denn es ist für den 38-Jährigen die letzte Saison als aktiver Spieler. «Es wäre schön, zum Abschluss noch das Double zu holen», scherzt er. «Nein, bleiben wir realistisch. Ein Titel reicht mir.»

Und was, wenn er auf dem Weg dahin gar noch mal trifft? «Keine Ahnung. Es läuft keine Wette mehr. Meine Tore sind nicht wichtig. Wichtig ist, dass das Team gut arbeitet», sagt Prachar, hält kurz inne – und fügt mit einem verschmitzten Lächeln noch an: «Aber es macht schon Spass.»