Südwestpfalz: So schön kann Nichts sein
Wenn man Südwestpfälzer nach den größten Pluspunkten ihrer Heimat fragt, antworten sie spontan: kein Lärm, keine Hektik. Dann folgt der tolle Sternenhimmel – weil es hier so wenig Lichtverschmutzung durch Großstädte (und überhaupt wenig Großstädte) gibt. Dazu himmlische Ruhe, besonders nachts, wenn kein Auto mehr über die Dorfstraße schleicht. Und, mit einer Prise Selbstironie, das meist ziemlich miserable Handynetz. Viel Nichts! Es gibt hier auch: den Pfälzerwald. Mit etwa 1700 Quadratkilometern Deutschlands größtes zusammenhängendes Waldgebiet überhaupt. Doppelt so groß wie Berlin. Aber, wie gesagt, tausendmal weniger Trubel.
Eisenbahn-Romantik
Über die schlängelige Bahn-Nebenstrecke dieselt der Triebwagen durch grüne Kiefern- und Buchenwälder. Am idyllischen Weiher neben den Gleisen planschen ein paar Kinder, Angler sitzen am schattigen Ufer und warten geduldig auf den großen Fang. „Nächster Halt: Waldfischbach” scheppert es aus dem Zuglautsprecher.
Schöne Schuhe
Endstation Pirmasens, 200 Jahre lang Deutschlands Schuhauptstadt. Landgraf Ludwig IX. (1719–1790) legte sich damals nach dem Vorbild des Preußenkönigs Friedrich II. eine schnittige Garde zu, nicht für irgendwelche Kriege, sondern nur zum Exerzieren – da konnte der Landgraf stundenlang zuschauen. Als der Landgraf starb, wurden die Soldaten arbeitslos. Da schneiderten sie aus ihren Uniformen Pantoffeln. Um sie mit wachsendem Erfolg in fast ganz Europa zu verkaufen. Diese „Schlappemacher” begründeten die berühmte Pfälzer Schuhindustrie.
In den 1960er-Jahren gab es in der Region über 300 Firmen mit mehr als 20 000 Beschäftigten. Heute produzieren nur noch wenige Firmen. Dafür mit großem Namen wie Peter Kaiser oder Kennel & Schmenger und, ganz wichtig, Fabrikverkauf (www.die-welt-der-schuhe.de, www.kssshoes.de)
Burgen-Land
Vierzehn stolze Burgen thronen über roten Felsen und lichten Kiefernwäldern im Dahner Felsenland und im benachbarten Nord-Elsass. Stolze Namen tragen sie alle: Loewenstein, Hohenburg, Lützelhardt, Blumenstein, Drachenfels. Die meisten sind auch als Ruinen noch Zeugnisse einstiger Macht.
Die Burg Berwartstein ist noch komplett: mit Geheimgängen, Folterkammer, Zinnenturm und Zugbrücke. Hier lebte vor rund 500 Jahren der gefürchtete Raubritter Hans Trapp, ein Zwei-Meter-Hüne, der sich mit wirklich jedem anlegte, sogar mit dem Papst.
Burgführer Torben Vogel (20) könnte zumindest optisch sein Nachfahre sein: Statur wie ein Bär, Stimme wie Richard Löwenherz und ein roter Vollbart, der in der Barbarossa-Liga mitspielen kann.
Torben, im wahren Leben braver Industriemanagement-Student, kennt so ziemlich alle Gruselgeschichten vom Berwartstein: vom eingemauerten Ritter, der nachts durch die Gänge spukt und von den Leichen-Katapulten, mit denen die Feinde Pestopfer in den Burghof schleuderten, auf dass die Seuche sich dort verbreitet. (www.burgberwartstein.de)
Stock und Stein
Das Wahrzeichen des Pfälzerwalds ist der Teufelstisch bei Hinterweidenthal. 14 Meter hoch, geschätzte 284 Tonnen schwer. Die 4 Meter dicke Tischplatte ist so groß wie eine durchschnittliche Zweizimmerwohnung.
Der Sage nach hat sich der Teufel diesen Felsen als Rastplatz gebaut. Die Wahrheit ist etwas schnöder: Im Verlauf der letzten 250 Millionen Jahre haben Regen und Frost bei einem mächtigen Buntsandstein-Klumpen alles weggewittert, was nicht nach Tisch aussah.
So ähnlich entstand auch der Altschlossfelsen. Wie ein riesiges Sandstein-Ufo liegt er mitten im Wald bei Eppenbrunn. Brücken, kleine Höhlen, Türme oder Pfeiler erinnern tatsächlich an ein Fantasieschloss. Mit ebenso fantastischem Farbkonzept: Je nach Sonnenstand ist der Fels mal silbergrau, mal feuerrot.
Hauptsache deftig
Mindestens so wichtig wie Burgen und Felsen: was Ordentliches auf dem Teller.
Fast jeder Dorfgasthof in einem der verstreuten Weiler und die meisten der einsamen Wanderhütten (Achtung, ohne Schnickschnack, dafür mit überschau- und bezahlbarer Speisekarte und meist nur mittwochs sowie am Wochenende geöffnet) punkten mit erstaunlich guter Pfälzer Küche: Saumagen, Leberknödel, Bratwurst, Sauerkraut. Oder alles zusammen. Das ist dann die Pfälzer Platte. Genug Wander-Energie für bestimmt 20 kernige Kilometer (www.wanderarena.com/huettenkultur).
Nicht zuletzt deshalb war hier auch das Lieblings-Wanderrevier von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl (1930–2017). Sein bevorzugter Weg führte vom pfälzischen Eppenbrunn ins elsässische Niedersteinach. Mit Pflicht-Einkehr bei Madame Zinck im legendären Gasthof Cheval Blanc. (www.hotel-cheval-blanc.fr)
Infos und Angebote
Anreise: per Bahn oder mit dem Auto über Kaiserslautern nach Pirmasens oder über Karlsruhe nach Landau.
Übernachten: Dreisternehotel Kupper in Eppenbrunn, DZ/F ab 45 Euro p.P. inkl. Sauna und Schwimmbadbenutzung, www.hotelkupper.de
Wandern: Deutsch-französischer Burgen- weg (33 Kilometer, 1300 Höhenmeter). Anspruchsvoll, auch in Etappen zu bewältigen. Hexenklamm (7 Kilometer, 122 Höhenmeter). Rauschende Wasserfälle, üppige Farnwälder. www.wanderarena.com