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Erderwärmung: Schülerproteste gegen Klimakrise

Foto: Mark Metcalfe/ Getty Images

Globale Klimakrise Gretas Aufstand

Greta aus Schweden ist 15 und geht freitags nicht zur Schule - sie demonstriert für die Rettung des Klimas. Weltweit folgen Schüler ihrem Beispiel. Formiert sich gerade eine neue Bewegung?

Am ersten Tag saß sie einsam und allein vor dem Schwedischen Reichstag, ein kaum 1,50 Meter großes Mädchen mit zwei Zöpfen, einem lila Rucksack, Wut im Bauch. Und einem Schild im Arm. "Skolstrejk för klimatet", stand darauf: "Schulstreik für das Klima."

Es war der 20. August, der erste Schultag in Stockholm nach dem heißesten Sommer, den weite Teile Schwedens je erlebt hatten. Aber Greta Thunberg, 15 und schulpflichtig, ging nicht zum Unterricht. Sondern zum Parlament des Königreichs Schweden, das in drei Wochen neu gewählt werden sollte. Sie hockte sich auf den Steinboden vor das Gebäude oder sie verteilte Handzettel. Mit dem Text:

"Wir Kinder tun oft nicht das, was ihr uns sagt. Wir tun das, was ihr tut. Und weil ihr Erwachsenen auf meine Zukunft scheißt, tue ich das auch. Mein Name ist Greta, und ich bin in der neunten Klasse. Und ich bestreike die Schule für das Klima bis zum Tag der Wahl."

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Sie hat es durchgezogen. Drei Wochen lang hat Greta Thunberg Tag für Tag die Schule geschwänzt. Anfangs wollten Lehrer sie davon abbringen, später solidarisierten sie sich mit ihr. Noch heute fehlt Greta jeden Freitag. Dann demonstriert sie vor dem Parlament: Dafür, dass Politiker, aber auch ganz normale Bürger den Klimawandel endlich ernst nehmen. Nicht nur reden, sondern auch handeln, das Energiesystem und ihren Lebensstil grundlegend ändern.

"Die Erwachsenen haben versagt", sagt die junge Schwedin im Gespräch mit dem Spiegel. "Sie sagen, der Klimawandel ist eine Bedrohung für uns alle, aber dann leben sie einfach so weiter wie bisher. Wir müssen selbst aktiv werden."

Allein ist Greta Thunberg längst nicht mehr. An diesem Freitag wollen Kinder und Erwachsene in rund 100 schwedischen Städten vor die Rathäuser ziehen: für das Klima, nach Gretas Vorbild. Auch in Belgien, Frankreich, Finnland und Dänemark sind Protestaktionen geplant.

Australiens Premierminister in Rage

Und in Australien, wo das Great Barrier Reef verheerende Bleichen erlebt hat und die Mitte-rechts-Regierung trotzdem weiter die Kohleindustrie unterstützt, haben in dieser Woche mehrere Tausend Schüler geschwänzt und gestreikt für das Klima. In der Hauptstadt Canberra zogen sie vor das Parlament, nach Gretas Vorbild.

Schon die Ankündigung der Proteste brachte Australiens Premierminister Scott Morrison auf die Palme. "Wir wollen mehr Lernen und weniger Aktivismus in der Schule", zürnte der rechtskonservative Politiker. "Die Kinder sollten zur Schule gehen." Woraufhin Greta Thunberg twitterte: "Sorry Mr Morrison. Können wir nicht erfüllen."

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Erwachsene denken meistens nicht über das Jahr 2050 hinaus, kritisiert sie. Aber sie selbst, Jahrgang 2003, werde dann vielleicht noch nicht einmal die Hälfte ihres Lebens hinter sich haben. "Was wir jetzt tun oder nicht tun, wird mein Leben und das meiner Freunde, Kinder und ihrer Enkelkinder beeinflussen."

Vergangene Woche hat sie bei Twitter zum Boykott des Black Friday aufgerufen. "Ich kann es nicht verstehen, wenn Leute Kram kaufen, den sie nicht gebrauchen."

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Sie ist so scharfzüngig wie radikal. Und sie macht kein Geheimnis daraus, dass sie anders ist. Auf ihrem Twitterprofil stellt sie sich vor als "15-jährige Klimaaktivistin mit Asperger".

Das Asperger-Syndrom ist eine Form des Autismus. Menschen mit diesem Syndrom sind oft hochintelligent und sprachlich hochbegabt - Greta etwa kann das chemische Elementesystem auswendig, rattert Sätze rückwärts runter und spricht fließend Englisch.

Andererseits haben sie aber auch häufig Probleme mit dem Aufbau persönlicher Beziehungen. Sie neigen dazu, sich intensiv für bestimmte Themen zu interessieren. Und sie verarbeiten Sinnesreize anders.

"Es gibt keine Grauzone"

"Für mich sind die meisten Sachen schwarz oder weiß", hat Greta Thunberg kürzlich in einem Gastbeitrag für den britischen "Guardian" geschrieben. "Ich schaue auf die Mächtigen und frage mich, warum sie alles so kompliziert machen. Wenn der Klimawandel gestoppt werden muss, müssen wir ihn stoppen. Das ist schwarz oder weiß. Es gibt keine Grauzone, wenn es um das Überleben geht."

Mit solchen Sätzen wird sie immer mehr zu einem Gesicht der globalen Klimabewegung: einer Bewegung, die herausragende Persönlichkeiten dringend nötig hat. Dabei ist sie noch eine Jugendliche. Eine, die wie eine Erwachsene spricht und wie ein Kind aussieht, kaum Freunde hat und in ihrer Freizeit am liebsten mit ihren Hunden spielt.

Wird Greta verheizt?

Täglich bekommt sie Anfragen von Medien, immer wieder werden sie und ihre Familie in den sozialen Netzwerken attackiert und beschimpft. Trolle nennen sie eine "Kindersoldatin" oder "Terroristin" oder behaupten, in Wahrheit wolle nur ihre Mutter, die Opernsängern Malena Ernman, Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Blanker Unsinn, sagt Greta. Ihre Eltern wollten sie überzeugen, es sein zu lassen. "Und als sie nicht nachgab", erzählt Vater Svante Thunberg, "haben wir ihr gesagt: 'Wir können nicht hinter dir stehen. Du musst es ganz allein machen.'" Eislaufpapis reden anders.

Ihren Eltern hat Greta schon vor Jahren die Leviten gelesen - und sie konvertiert. Ebenso wie sie selbst ist ihr Vater zum Veganer geworden, die Mutter zur Vegetarierin. Greta ist aus Überzeugung noch nie geflogen, ihre Mutter Malena Ernman fliegt seit drei Jahren nicht mehr. Und als die Tochter Ende Oktober auf einer großen Klimaschutzdemo in London eine Rede halten sollte, kutschierte sie ihr Vater mit dem Elektroauto: 28 Stunden quer durch Europa, alle zwei Stunden Batterien aufladen.

Svante Thunberg ist im normalen Leben Musikproduzent, doch jetzt muss er für Greta Termine koordinieren, Anfragen annehmen oder ablehnen, Greta abschirmen, wenn nötig. Stressig sei das und auch teuer, sagt er. "Aber was Greta hier macht, ist wichtig und sinnvoll für uns alle. Und solange sie damit glücklich ist, sind wir auch glücklich."

Uno-Klimakonferenz in Katowice

Uno-Klimagipfel in Katowice

Lange war Greta Thunberg wegen des Klimawandels traurig, fast schon depressiv. Aber jetzt, da sie etwas tun kann, geht es ihr richtig gut, sagt ihr Vater. Und ihre Noten haben nicht unter den Streiks gelitten. Ihre Bücher hat sie immer mit dabei.

Nächste Woche fehlt sie schon wieder in der Schule. Dann ist sie nach Katowice in Polen eingeladen, zur Weltklimakonferenz. Hohe Uno-Funktionäre soll sie treffen, Reden und Pressekonferenzen halten, so steht es im Terminplan. Aber wenn es zu stressig werde, dann werde man sofort nach Hause fahren, schwört ihr Vater.

Seine Tochter indes will lange bleiben. "Aufmerksamkeit für mich heißt Aufmerksamkeit für das Klima", sagt Greta Thunberg. "Wenn jemand dafür gebraucht wird, dass sich mehr Menschen mit diesem Thema beschäftigen, mache ich das." Sie wird es durchziehen in Katowice. Genauso entschlossen wie vor dem Schwedischen Reichstag. Greta wird gebraucht.