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  4. „Amanyangyun“ und „Jian Ye Li“: historische Luxushotels in Shanghai

Städtereisen Shanghai

Edle Hotels in traditionellen chinesischen Häusern

Visionäre Planung hat in Shanghai zwei historische Wohnanlagen zu luxuriösen Herbergen werden lassen – in denen sich auch Hochmodernes finden lässt. In einem Fall wurde dafür ein ganzes Dorf versetzt.
Das Jian-Ye-Li-Hotel integriert die Häuschen des alten französischen Viertels von Shanghai Das Jian-Ye-Li-Hotel integriert die Häuschen des alten französischen Viertels von Shanghai
Das Jian-Ye-Li-Hotel integriert die Häuschen des alten französischen Viertels von Shanghai
Quelle: capellahotels.com

Hingestreckt in einen breiten Ledersessel im klimatisierten Vorführraum des Luxusresorts „Amanyangyun“ mag man kaum glauben, dass der vorgeführte Film eine Dokumentation ist und kein fiktives Kinodrama: Umgekippte Lastwagen lassen eigens für sie gebaute Behelfsbrücken einkrachen, Tieflader mit tonnenschwerer Last versinken im Matsch.

Ein Wettrennen mit der Zeit, es geht um Leben und Tod. Ein uralter heiliger Kampferbaum kann nicht ewig überleben, wenn seine Wurzeln in der Luft hängen.

Einer? Ein ganzer Wald ist unterwegs, 10.000 Bäume, 1000 Jahre alt und älter, bis zu 40 Meter hoch und zig Tonnen schwer. Sie reisen 700 Kilometer von der chinesischen Provinz Jiangxi bis vor die Tore Shanghais in den Minhang District im Vorort Maqiao Town. Mehr noch: Ein ganzes Dorf muss mit, es ist bedroht durch den Bau eines Stausees. Doch der Film hat ein glückliches Ende, das Dorf wird gerettet.

Und das kam so: Als Ma Dadong im Jahr 2002, da war er noch keine 30 Jahre alt, in seinem Heimatort Fuzhou die ersten Bäume fallen sah, unter denen er als Kind gespielt hatte, sprang er dazwischen mit seinem Kapital, das er in Shanghai zum damaligen Zeitpunkt bereits mit Immobilien und als Unternehmensberater verdient hatte. Der Multimillionär wurde im Wortsinne zu einem steinreichen Mann.

Zwei Visionen kamen zusammen

Das Mammutprojekt „Dorfumzug“ war mühsam und sollte sich über Jahre hinziehen. Erst als sie behutsam, Stein für Stein abgebrochen wurden, gaben die historischen Häuser ihre einzigartigen Bautechniken, kunstvollen Steinreliefs und Schnitzereien preis.

Derweil übte sich Philanthrop und Entrepreneur Ma Dadong in Gelassenheit: „Wir Menschen sind mit unserer kurzen Lebenszeit doch nichts als flüchtige Reisende in einer Momentaufnahme.“ Seine ursprüngliche Idee war, auf dem 40 Hektar großen Grundstück südwestlich von Shanghai ein Künstlerdorf zu errichten.

Die Häuser des Amanyangyun-Hotels wurden 700 Kilometer weit transportiert
Die Häuser des Amanyangyun-Hotels wurden 700 Kilometer weit transportiert
Quelle: Sui Sicong/www.aman.com

2005 stand das erste Musterhaus. Dann traf der Visionär einen zweiten – den indonesischen Hotelier Adrian Zecha, Eigner der Luxusresortgruppe Aman. An die verkaufte Ma 2010 seinen Traum. Der passende Name war rasch gefunden: Aus Aman und Yang Yun, was so viel bedeutet wie „Bewahren und Erfüllen eines Traums“ wurde „Amanyangyun“.

Was dann folgte, war ein langer Prozess, in den ein Team aus 200 Spezialisten, Botanikern, Ingenieuren, Architekten und Kunsthandwerkern eingebunden war.

Altes und Neues trifft sich

Die Mühen haben sich gelohnt: 80 Prozent der in mitgebrachter Heimaterde wieder eingepflanzten Bäume konnten gerettet werden. Stolz trägt der älteste von ihnen, der 80 Tonnen schwere und 1500 Jahre alte King Tree, seine Krone. Es soll Glück bringen, wenn man ihn zur Begrüßung gießt. Möglicherweise hat das Sebastian Vettel, einer der ersten Gäste, beim Einchecken versäumt. Ein Crash kostete den Favoriten beim letzten Formel-1-Grand-Prix von Shanghai den Sieg.

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Man sollte vielleicht wissen, dass in heiligen Bäumen Götter wohnen, möchte man selbst zu ihren Füßen wohnen wie Gott in China. Das verpflanzte Dorf besteht nun nicht mehr nur aus sorgfältig restaurierten Häusern der Ming- und Qing-Dynastie, sondern wird ergänzt und großzügig ummantelt von schlichten Betonbauten des australischen Stararchitekten Kerry Hill. Es ist ein atemberaubendes architektonisches Projekt, das der Philosophie von Yin und Yang zu folgen scheint – in gegensätzlichen Stilen, die aufeinander Bezug nehmen.

Der Essensbereich einer der Villen
Der Essensbereich einer der Villen
Quelle: www.aman.com

Wobei die historischen Häuser nur den Kern der 800 bis 1000 Quadratmeter großen Villen mit jeweils vier Schlafzimmern, traditionellem Innenhof, eigenem Pool und Jacuzzi bilden. Für bescheidenere temporäre Dorfbewohner sind zwei Dutzend im minimalistischen Stil errichtete Ming-Court-Suiten entstanden, jeweils 65 Quadratmeter groß und mit gleich zwei privaten Innenhöfen.

Und noch eine andere Verpflanzung ist gut geglückt im „Amanyangyun“: die des Chefkochs Andrea Torre vom „Aman“ in Venedig. Im „Arva“ kocht er superfrisch „farm-to-table“ – mit Produkten aus dem hauseigenen Biogarten direkt auf den Tisch. Die übrigen Restaurants sind auf dem Gelände des Anwesens verstreut, das chinesische orientiert sich an der Küche der Jiangxi-Provinz, in der sich das ursprüngliche Dorf befand, im „Nama“ wird authentische und unkomplizierte japanische Kost serviert.

Es gibt keinen Grund, den Komplex zu verlassen

Ein Dutzend der diskret in der Landschaft verteilten historischen Villen wird man kaufen können, für 15 bis 30 Millionen US-Dollar, inklusive eines spektakulären Untergeschosses mit intelligentem Tageslichteinfall für eine stilvolle Präsentation der eigenen Kunstsammlung sowie eines gepanzerten Tresorraums für die Unterbringung eventuellen Restvermögens.

Gleich nach seiner Eröffnung wurde das bisher ambitionierteste Projekt der Hotelgruppe zu einer Pilgerstätte für Architekten aus aller Welt. Aman-Chairman Vladislav Doronin ist überzeugt: „Wir haben hier die Grenzen traditioneller Hotellerie überschritten.“ Sein Ziel: „Ein Stück chinesischer Historie zu bewahren, auch als Archiv für die Zukunft.“ Die Gästeschar ist bunt gemischt, an den Wochenenden ist man – nach Eröffnung Anfang dieses Jahres – so gut wie immer ausgebucht.

Auch hunderte Bäume wurden versetzt
Auch hunderte Bäume wurden versetzt
Quelle: www.aman.com

Das Luxusdorf inmitten einer eher kargen Vorstadtlandschaft mit Industriekulisse ist konzeptionell bewusst so angelegt, dass man es nicht verlassen muss – und vielleicht auch gar nicht verlassen möchte, sondern vielmehr völlig eintaucht in eine Welt, die an die meditative Ästhetik der Filme des chinesischen Regisseurs Zhang Yimou erinnert. Der sortierte in seinem preisgekrönten Werk „Hero“ schon mal fallende Blätter nach Farben.

Wie eine Filmkulisse wirkt auch Nan Shu Fang, die höchst herrschaftliche Villa, benannt nach dem königlichen Lesepavillon in Pekings Verbotener Stadt. Die Inneneinrichtung ist inspiriert von Chinas Literaturschulen. Hier wird in aller Stille (nur ab und zu gestört vom Verkehr eines nicht allzu weit entfernten Flughafens) die chinesische Teezeremonie zelebriert. Die Villa ist auch der Ort, an dem Jonathan Wolfberg sein Wissen in Kalligrafie-Workshops, Tai-Chi-Kursen und Lesungen weitergibt.

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Der Amerikaner, der in einem vorigen Leben gut ein Mönch in einem chinesischen Dorf gewesen sein könnte, demonstriert geschickt wie ein Zauberkünstler die niet- und nagelfreie Zusammensetzung von Möbeln aus der Ming-Zeit. Sanft lächelnd deutet Wolfberg die Symbolik der Bilder, zeigt auf die Lotusblume, die ihre Schönheit aus dem Sumpf entfaltet. Ein schönes Symbol für das Gesamtprojekt.

Rauchwerk und Philosophie

Räucherstäbchen anzünden? Ein Rauchwerkkurs ist viel mehr. Wie es hier heißt: der „Übergang von der physikalischen Welt in eine himmlische“ – Entspannung, Meditation, Konzentration, Meditation. Das dauert. Da wird ein vielteiliges Besteck wie für eine Operation an der offenen Seele ausgebreitet, ganz sanft weiße pudrige Asche in ein winziges Gefäß geklopft, bis eine papierglatte ebene Fläche entstanden ist – oder auch nicht.

In die wird mit einem weiteren Werkzeug ein Muster gesetzt. Noch sanfter, sonst entsteht keines. Wenn sich dann nach einer stundenlangen Geduldsprobe endlich weiße Rauchfäden durch die Luft schlängeln und einen würzigen Duft verbreiten, verrät Jonathan Wolfberg das Ziel der Zeremonie mit einem Satz: „My life has no meaning.“ Gut möglich und irgendwie tröstlich, dass auch die Bedeutung eines Luxuslebens darin bestehen könnte, gar keine Bedeutung zu haben.

Die Hotellobby
Die Hotellobby
Quelle: Sui Sicong/www.aman.com

Doch mit solchen Überlegungen halten sich geschäftstüchtige Chinesen nicht allzu lange auf, wenn es darum geht, wie beim Flughafen Hongkong Berge zu versetzen, Dörfer umzupflanzen wie beim Bau des Jangtse-Staudamms oder – wie im Fall des „Amanyangyun“ – Bäume nicht nur weit weg zu verpflanzen, sondern auch in den Himmel wachsen zu lassen.

Ein Sendemast, der die Harmonie der Hotelanlage unterbricht, trägt plötzlich eine Art Christbaum auf seiner Spitze. Am nächsten Tag ist er über und über mit Zweigen bestückt. Der künstliche Weihnachtsbaum ist eine schöne Bescherung für die Gäste: gut funktionierendes Internet mitten in der Pampa.

Wie Paris vor 100 Jahren

Auch mitten in Shanghai gelingen solche Verwandlungen. Ein alter Wasserturm dient als Funkstation und ist das weithin leuchtende Wahrzeichen eines weiteren spektakulären Hotelexperiments. Die Capella Group hat im beliebten Xuhui District, dem alten französischen Viertel, vor Jahresfrist das „Jian Ye Li“ eröffnet, eine behutsam restaurierte, einst von französischen Bauherren errichtete Shikumen-Siedlung.

Bei Shikumen handelt es sich um einen charmanten Baustil, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als immer mehr Fremde in die Stadt zogen, den traditionellen chinesischen Baustil mit westlichen Elementen vermählte. In den so entstandenen schlanken Reihenhäuschen wohnten früher mehrere Familien. Inzwischen haben junge Paare und betuchte Singles diese Wohnform für sich neu entdeckt – genau wie die Hotelbetreiber.

Eins der Aushängeschilder des Jian Ye Li ist das luxuriöse Spa
Eins der Aushängeschilder des Jian Ye Li ist das luxuriöse Spa
Quelle: capellahotels.com

Bereits wenn man den abgeschirmten Mikrokosmos durch ein steinernes Tor betritt, wähnt man sich im Paris der 1920er- oder 30er-Jahre. Die elegante Bibliothek dient gleichzeitig als Rezeption und tagsüber als Erholungsoase. „Der Gast soll sich heimisch fühlen wie in einem Wohnzimmer“, erklärt Hoteldirektor Dorian Rommel die Philosophie des Hauses.

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Die 55 mehrstöckigen Villen reihen sich in schmalen Sackgassen aneinander, die allesamt in einem verwunschenen Garten enden. Elegante Art-déco-Lampions nehmen die Muster der Steine auf und zeichnen nach Einbruch der Dunkelheit neue auf die Gehwege.

Massage nach Mondphasen

Eine gewissen Fitness sollten die Gäste mitbringen: Vom Wohnraum führt ein Treppe in den Fernsehraum mit Minibar, darüber liegt das Schlafzimmer, das Bad ist noch eine Etage höher. Gekrönt wird die Villa mit einer eigenen Dachterrasse. Die moderne Technik hält sich diskret zurück – bis es unten am Tor klingelt: Dann erscheint der Besucher wie ein Geist auf dem Bildschirm im Bad.

Im Spa Auriga wird nach Mondphasen massiert, wobei man davon ausgeht, dass der Neumond die beste Zeit für eine körperliche Inspektion ist, die zunehmende Sichel gut für gute Vorsätze sei, der abnehmende Mond der Reinigung von Körper und Geist diene, und der Vollmond steht – wie könnte es anders sein – für volle Kraft.

Ummauert ist das einzige Nur-Villen-Hotel in Shanghai von einer eleganten Ladenfront, durch die man auch in die separaten Restaurants des Hauses gelangt. Besonders beliebt ist die Bäckerei La Boulangerie et Patisserie par le Comptoir de Pierre. Hier sind die Baguettes stets schnell ausverkauft – es leben immer noch etwa 10.000 Franzosen im Bezirk.

Das prägt das Quartier. Hier reihen sich Galerien, Shops, farbenfrohe Boutiquen aneinander, es dampft aus Nudelbuden, ein Schuster an der Ecke klopft mit seinem Hammer den Takt dazu. Beschauliches und erbauliches China, eine kurze Taxifahrt vom quirligen Boulevard Bund und dem pulsierenden Pudong entfernt – wenn es nicht regnet.

Denn es regnet zumindest dem Gefühl nach ziemlich oft in Shanghai. Doch gerade dann, besonders in der Dämmerung, entfaltet die Stadt einen eigenartigen Reiz. Die Poesie der Rushhour im Paris des Ostens: Hochstraßen schlängeln sich wie Nudelstränge durchs Straßenbild, die Wolkenkratzer verschwinden im sich herabsenkenden Dunst, zuletzt das Wahrzeichen, der Fernsehturm. Dann gehen die Lichter an und spiegeln sich in den Pfützen wie Bilder aus der alten in der neuen Welt.

Quelle: Infografik WELT

Tipps und Informationen zu Shanghai

Anreise Eine schnelle Verbindung nach Shanghai bietet zum Beispiel Finnair via Helsinki von verschiedenen deutschen Städten (finnair.com). Lufthansa fliegt nonstop von Frankfurt oder München

(lufthansa.com).

Unterkunft Eine Zwei-Personen-Villa im „Amanyangyun“ ist ab 631 Euro pro Nacht zu haben (aman.com). Ein DZ/F kostet im „Capella Shanghai Jian Ye Li“ ab 385 Euro (capellashanghai.com).

Schauen und Shoppen Im Shikumen Open House Museum im französischen Viertel werden geführte Touren durch ein verstecktes Shikumen-Haus angeboten (keine Website, Adresse: No. 25, 118 Alley, Taicang Road, Luwan District, Tel.: +86 21 3307 0337). Die Galerie G67Art bietet spektakuläre internationale Designermode zu günstigen Preisen (298, Urumqi Road, Xuhui District).

Auskunft www.china-tourism.de

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Aman Resorts und Capella Hotels. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/unabhaengigkeit

Diese Brücke ist nichts für Angsthasen

Der Harz ist um eine Attraktion reicher, denn die längste Fußgängerhängeseilbrücke der Welt ist fertig. Auf 450 schwankende Meter bringt es „Titan-RT“. Besonders Wagemutige können hier ihre Grenzen austesten.

Quelle: N24/Thomas Vedder

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