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Meinung Infrastruktur

Je eher die Maut kommt, desto besser – für Sie!

In den USA hat man früh damit angefangen, Autofahrer zur Kasse zu bitten: Mautstelle in New York, circa 1930 In den USA hat man früh damit angefangen, Autofahrer zur Kasse zu bitten: Mautstelle in New York, circa 1930
In den USA hat man früh damit angefangen, Autofahrer zur Kasse zu bitten: Diese Mautstelle befand sich in New York, circa 1930
Quelle: Getty Images
Endlich – nach langem Ringen ist der Weg frei für eine allgemeine Pkw-Maut in Deutschland. Sicher wird sie die Rettung für Umwelt und Bundesfinanzen bedeuten. Unser Autor freut sich schon drauf.

Der deutsche Staat ist bekannt dafür, nur in bescheidenem Maße Steuern zu erheben und diese netterweise mit einfallsreichen Namen zu versehen, sodass der Bürger gar nicht anders kann, als mit einem Lächeln im Gesicht sein Portemonnaie zu zücken. Der Solidaritätszuschlag zum Beispiel ist mittlerweile ein echter Evergreen mit passend sozialistischem Sound („Solidarität!“).

Die nächste Steuer, die uns ins Haus steht, ist die Maut für Pkw. Glücklicherweise heißt sie nicht „Zusatzsteuer“, sondern „Infrastrukturabgabe“. Das ist clever, denn wer weiß, wie Brücken in Leverkusen und Straßen in Mecklenburg aussehen, kann ja fast gar nicht anders, als laut „Ja! Das will ich!“ zu rufen. „Infrastruktur“ möchte einfach jeder haben, das wird der Hit.

Die ehemaligen Volksparteien, die unsere kompetente Regierung stellen, haben aber leider schon angedeutet, dass wir uns noch etwas gedulden müssen, bis alles gut wird. Die Maut wird kommen, seien Sie beruhigt, aber eben nicht sofort. Sie soll aber auf jeden Fall noch in dieser Legislaturperiode eingeführt werden, also spätestens bis 2021.

Keine Sorge, die Maut selbst wird Sie nichts kosten, also geschätzt irgendetwas zwischen 80 und 130 Euro. Aber als deutscher Autofahrer sollen Sie in gleicher Höhe bei der Kfz-Steuer entlastet werden. Das „deutsch“ klingt natürlich besorgniserregend nationalistisch, aber Österreich wird mit seinen Klagen gegen Deutschland schon dafür sorgen, dass hier nachgebessert wird.

Nach der Entlastung kommt die Anhebung

Böse Zungen gehen allerdings bereits davon aus, dass die, Pardon, deutschen Autofahrer zwar im ersten Schritt „entlastet“ werden – wobei „Entlastung“ natürlich nicht bedeutet, dass Sie persönlich weniger zahlen müssen, sondern eben nur nicht noch mehr – aber dass die Kfz-Steuer dann kurze Zeit später entsprechend angehoben wird. Aus nachhaltigen Umweltgründen.

Diesen kontraproduktiven Lästermäulern wollen wir uns aber nicht anschließen, denn, das wissen wir Deutschen, „die Parteien haben immer recht“, selbst wenn es kaum noch welche sind. Es sollte uns außerdem stolz machen, dass – noch vor der Einführung der „Infrastrukturabgabe“ selbst – bereits die ersten Hochbegabten über weitere Maut-Ideen nachdenken. „Streckenabhängig“ könnten diese sein oder auch an „Schadstoffausstöße“ – damit ist wahrscheinlich CO2 gemeint – gekoppelt.

Die EU hätte natürlich gerne eine europaweite Maut und möchte, um die europäischen Länder nicht vor den Kopf zu stoßen, die bereits bestehenden Systeme miteinander vernetzen, aber wer sich die Zusammenarbeit der europäischen Strafverfolgungsbehörden beim Thema Terrorismus anschaut, kann leider nicht anders, als an einer zeitnahen Umsetzung eines europaweiten Systems zu zweifeln.

Das ändert aber nichts daran, dass so eine Maut einfach eine feine Sache ist und engagierten JungpolitikerInnen jede Menge Raum für einfallsreiche Aktionen bietet, die mit mutiger Haltung geradezu vollgesogen sind.

Mütterchen Staat setzt Umweltakzente

So könnte man gerade im immer noch zutiefst patriarchalen Deutschland berufstätige Frauen zum Beispiel dadurch fördern, dass sie entweder keine oder nur eine vergünstigte Maut zahlen. Wobei „berufstätige Frau“ natürlich nicht auf biologische Frauen oder Menschen, die arbeiten, beschränkt sein dürfte.

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Mütterchen Staat könnte aber auch nachhaltige Umweltakzente setzen, zum Beispiel indem sie ihren Bürgern ermöglicht, abgestempelte Bundesbahntickets anteilig von der Pkw-Maut abzuziehen („Jetzt 1 Cent je 100 Euro gutschreiben lassen! Ticket einfach Ihrem Politkommissar vorlegen!“).

Sie merken schon, die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Und das Beste von allem, es bringt ja auch noch Geld in die Staatskassen. Geld, das selbstverständlich nur zur Schaffung und Wartung von „Infrastruktur“ benutzt werden soll. Und der Staat, das sind ja wir alle. Also, freuen Sie sich doch einfach schon jetzt auf 2021. Ich jedenfalls habe vollstes Vertrauen in die Genossen an der Spitze und kann es kaum abwarten.

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Quelle: N24/Marten Berg

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