Schneekanonen: Bin ich ein Umweltsünder, wenn ich Ski fahre?

Der Winter lässt auf sich warten. Am Geröllhang der Zugspitze wurden jetzt ohne Kunstschnee, aber mit altem Schnee aus dem Vorjahr zwei Skipisten präpariert

Der Winter lässt auf sich warten. Am Geröllhang der Zugspitze wurden jetzt ohne Kunstschnee, aber mit altem Schnee aus dem Vorjahr zwei Skipisten präpariert

Foto: Bayerische Zugspitzbahn Bergbahn AG/dpa
Von: HARTMUT WAGNER

Schneemangel in den Alpen vor dem Start der Skisaison. Experten sagen, ob der Wintersport wirklich schädlich für Natur und Klima ist.

Wie schädlich ist das Skifahren für das Klima?

„Nicht sehr. Dem Klima schadet in erster Linie die weite An- und Abreise der Skiurlauber. Diese verursacht bis zu 75 Prozent der CO2-Emissionen eines einwöchigen Skiurlaubs“, sagt Prof. Tobias Luthe (43), Nachhaltigkeitsforscher an der Hochschule Zürich.

„Weitere 20 Prozent der CO2-Emissionen entstehen durch Restaurants und Hotels. Nur gut fünf Prozent durch das Beschneien der Pisten, die Pistenpräparation und den Liftbetrieb.“

Auch der Chef des Forschungszentrums Joanneum in Graz, Dr. Franz Prettenthaler (46), sagt: „Skiurlaub ist relativ harmlos für das Klima. Die Anreise schadet am meisten. Aber man muss auch wissen: Wer aus Deutschland zum Tauchurlaub nach Ägypten fliegt, verursacht etwa fünfmal mehr klimaschädliche CO2-Emissionen als jemand, der mit dem Auto nach Österreich zum Skifahren fährt.“

Der Klimawandel führt dazu, dass weniger Schnee fällt. Darum nutzt man in vielen Skigebieten „Kanonen“, um Kunstschnee auf die Pisten zu „schießen“. Schadet das der Natur?

„Nein“, räumt Klimaforscher Prettenthaler ein. „Es stört viele Menschen, wenn man mit Schneekanonen künstlich Winterlandschaften erzeugt. Aber Kunstschnee besteht zu 100 Prozent aus Wasser. Das schadet der Natur nicht.“

Warum üben Umweltschützer trotzdem Kritik am Einsatz von Kunstschnee?

„Man beschneit für den Skitourismus in den Alpen eine Fläche, die größer ist als der Bodensee. Dabei verbraucht man dreimal so viel Wasser wie die Stadt München im ganzen Jahr und mindestens so viel Strom wie die Stadt Nürnberg“, kritisiert Axel Doering (71), Chef des BUND-Naturschutzes in Garmisch-Partenkirchen.

„Und wer auf Bergen Kunstschnee verbreitet, verändert dort die Pflanzenwelt. Denn das Wasser, aus dem der Schnee besteht, enthält Nährstoffe. Darum kann auf 1500 Metern Höhe plötzlich Löwenzahn wachsen – aber vielleicht bald kein Enzian mehr.“ Die Forderung des Umweltschützers: „Statt mit Schneekanonen gegen die Folgen des Klimawandels zu kämpfen, sollte man auf Alternativen zum Skifahren bauen, etwa das Wandern.“

Warum stehen Unternehmer des Skitourismus oft in der Kritik?

„Die Maschinerie des Skitourismus ist auf Profit fokussiert und ignoriert die Verantwortung für Klima und Natur. Dieser Verfall an Moral stört mich sehr“, schimpft Rudi Erlacher (69), Vizechef des Deutschen Alpenvereins.

Er meint damit Geschäftsleute wie den Hotelier Günther Aloys (70) aus dem österreichischen Skiort Ischgl. Der sagte 2015 in einem Interview, dass ihn der Klimawandel nicht interessiere, da Ischgl ja 1200 Schneekanonen habe: „Die Natur darf in unserem Business überhaupt keine Rolle spielen.“

Wie lange kann man in den Alpen noch Ski fahren?

„Voraussichtlich auch in den kommenden 30 Jahren“, sagt Klimaforscher Prettenthaler. „Aber vielleicht beginnt die Hauptsaison künftig später, nicht mehr Anfang Dezember, sondern erst an Weihnachten.“

Wie können Skiurlauber das Klima schonen?

„Wer dem Klima möglichst wenig schaden will, sollte zum Skiurlaub mit dem Zug anreisen oder mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln“, sagt der Nachhaltigkeitsforscher Luthe. „Man sollte eher einen langen Skiurlaub machen statt viele kurze. Und besser kleine, energiesparende Hotels oder Pensionen wählen statt Luxusresorts.“

Wie kann die Politik den Skiurlaub klimafreundlicher machen?

Anton Hofreiter (48), Grünen-Fraktionschef im Deutschen Bundestag, schlägt vor, ein Siegel für solche Skigebiete einzuführen, die auf Nachhaltigkeit achten: „Das kann Skifahrern helfen, eine umweltbewusste Wahl zu treffen, wo sie ihren Sport ausüben.“

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