WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Reise
  3. Deutschland
  4. Wattwandern an der Nordsee: Im Winter ein besonderes Erlebnis

Deutschland Nordseeurlaub

Wattwandern im Winter ist was für die Harten

Man braucht Gummistiefel aus Kautschuk und dicke Pullis. Aber die kalte, klare Luft belohnt alle, die sich zu einer Wattwanderung im Winter aufraffen. Und nachher gibt’s Grünkohl mit Kassler als Belohnung.
Dramatische Stimmung. Im Winter ist die Atmosphäre im Watt ganz anders als im Sommer Dramatische Stimmung. Im Winter ist die Atmosphäre im Watt ganz anders als im Sommer
Dramatische Stimmung. Im Winter ist die Atmosphäre im Watt ganz anders als im Sommer
Quelle: picture alliance/dpa

Höchstens ein paar Grad Celsius über null – so kalt ist die Nordsee im Winter. Wer jetzt durch sie hindurchmarschiert, sollte das wissen, sagt Johann P. Franzen. Mag ja alles harmlos aussehen, jetzt, bei Ebbe.

Aber wer zwischen zwei Rinnsale gerät, die gerade gemütlich vor sich hinplätschern, und von der Flut erwischt wird, dem steht das Wasser schnell bis zum Hals. Der Wattführer guckt grimmig. Mit seinem Meer ist nicht zu scherzen. Schon gar nicht bei Kälte.

Die paar vereinzelten Wattwanderer, die sich an diesem Morgen um ihn scharen, blinzeln leicht verängstigt. Ihre Fragen stehen ihnen ins Gesicht geschrieben: Hätte ich doch noch einen Pulli mehr anziehen sollen? Und diese Stiefel, halten die wohl dicht? Spätestens eine Stunde später wird ihnen klar sein: Man kann gar nicht zu viel anziehen für eine Wattwanderung im Winter.

Wattwandern – das verbinden die meisten mit dem Sommerurlaub an der Nordsee. Barfuß durch den Schlick und dicke Würmer aus dem Boden ziehen, eine herrliche Kindheitserinnerung. Es gibt aber durchaus ein paar Furchtlose, die auch im Winter durchs Watt waten. Franzen bietet in Westerdeichstrich in der Nähe des Badeortes Büsum die „Drei-Priele-Tour“ an. Rund vier Stunden stapfen die Teilnehmer mit ihm durchs Watt. Danach gibt es Grünkohl.

Mischwatt, Schlickwatt, Sandwatt

Los geht es vom Deich aus, wo der Wind einem bereits gnadenlos um die Ohren pfeift. Einmal im Watt angekommen, erschließt sich aber Franzens Liebe zu diesem besonderen Ort: Auf der ockerbraunen Fläche spiegelt sich der eisblaue Himmel, beides verschmilzt zu einer einzigen Landschaft.

Lugt die Sonne zwischen den Wolken hervor, taucht sie die seltsame Szenerie in ein gespenstisches Licht. Zu hören sind das Plätschern des Wassers, das Rauschen des Windes und ein Schmatzgeräusch, das die Gummistiefel auf dem Boden erzeugen. Ansonsten Stille.

Warme Kleidung ist dringend nötig
Warme Kleidung ist dringend nötig
Quelle: picture alliance/dpa

Die Unesco hat das ganze Wattenmeer von Dänemark bis in die Niederlande zum Weltnaturerbe erklärt. Wattführer Franzen steuert das Grüppchen zielsicher von einem Wasserlauf zum nächsten. Manche dieser sogenannten Priele gleichen bei Ebbe eher Rinnsalen, auf anderen können auch bei niedrigem Wasserstand noch Schiffe fahren.

Franzen erklärt die Unterschiede zwischen Mischwatt, Schlickwatt, Sandwatt. Und warum das Meer sich hier überhaupt alle paar Stunden zurückzieht, nur um dann mit aller Macht zurückzukehren.

Plastik macht kalte Füße

Zu lange allerdings verharrt der Wattführer nie an einer Stelle. „Ihr sollt ja nicht festfrieren“, sagt er und lacht. Dann hebt er den Zeigefinger und schimpft mit all jenen, die mit billigen Plastikgummistiefeln angereist sind – und das längst bitter bereuen. Richtige Gummistiefel, lernt der Landmensch, die sind aus Kautschuk. „Darin bekommt ihr auch keine kalten Füße.“

Anzeige

Solche Weisheiten sind nicht der einzige gute Grund für eine geführte Wanderung durchs Watt. Allein rauszugehen, das sei richtig gefährlich, sagt Karl-Heinz Kolle. Der Chef des Büsumer Traditionsrestaurants „Kolles Alter Muschelsaal“ kennt das Watt seit seiner Kindheit. Er weiß: Kommt die Flut, dann sehen unerfahrene Wattwanderer das Wasser nicht kommen.

Sollte reichen. Grünkohl nach der Wanderung gibt es nur im Winter
Sollte reichen. Grünkohl nach der Wanderung gibt es nur im Winter
Quelle: picture alliance/dpa

Zuerst füllen sich nämlich die Priele. Winzige Rinnsale können binnen Minuten zu reißenden Flüssen werden und die Wanderer umzingeln. Wer denkt, dass er da dann locker durchschwimmt, irrt. Viele Priele fließen rasend schnell. Im Winter tut die Wassertemperatur ihr Übriges. Schlimmstenfalls schwimmt, wer eben noch festen Boden unter den Füßen hatte, plötzlich im offenen Meer.

Auch der Umwelt zuliebe ist eine Führung sinnvoll. Der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer ist nämlich in Schutzzonen unterteilt. Manche Gebiete dürfen Menschen gar nicht betreten, etwa weil selten gewordene Tierarten nicht gestört werden sollen. „Da sieht man aber immer wieder welche spazieren“, sagt Franzen. Dass ihm das nicht gefällt, muss er nicht dazu sagen.

Tiere sind selten im Winter

Eine gute Stunde später – die Füße fühlen sich längst wie Eisklumpen an – hält der Wattführer ein letztes Mal an. Mit seiner Grabegabel reißt er Löcher in den Boden, bis er schließlich strahlend einen Wurm in den Händen hält. Das Tier verharrt regungslos, wird von allen Seiten fotografiert und darf sich dann zurück in den Boden graben. Mehr Getier, das stellt Franzen gleich klar, ist nicht im Winter.

Andererseits: Im Sommer durchs Watt – das kann jeder. Außerdem müsste der anschließende Grünkohlschmaus dann saisonbedingt ausfallen. Das wäre vor allem wegen der Beilagen schade: Kasseler, Kochwurst, Schweinebacke schmecken nun mal am besten, wenn man vorher stundenlang im eiskalten Watt umhergetaumelt ist.

Quelle: Infografik WELT

Tipps und Informationen zum Wattwandern

Anreise: Mit dem Auto ab Hamburg auf der A23 (in Richtung Husum) über Itzehoe in Richtung Heide bis zur Abfahrt Heide-West, weiter auf der B203 nach Büsum. Mit der Bahn ab Hamburg stündlich nach Büsum (www.bahn.de).

Anzeige

Anbieter: Infos zu Wanderungen mit dem Nationalparkwattführer Johann P. Franzen unter reiseservice-franzen.de/watt.htm. Geführte Wintertouren gibt es auch auf Amrum sowie in Hooksiel. Von der Küste vor den ostfriesischen Inseln kann man bis nach Norderney wandern.

Auskunft: nordseetourismus.de

Deutschland gehört zu den zehn beliebtesten Reisezielen

Deutschland gehört 2019 für den Reiseführer „Lonely Planet“ zu den zehn besten Reisezielen. Im Ranking landet die Bundesrepublik auf dem zweiten Platz hinter dem Inselstaat Sri Lanka.

Quelle: WELT/ Sebastian Struwe

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema