WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Reise
  3. Fernreisen
  4. Blog „life-is-a-trip.com“: Trampender Mönch in Kambodscha

Fernreisen Bloggerwelt

Sprachlose Begegnung mit dem trampenden Mönch

Marco Buch fährt Motorrad in Kambodscha. Eine Gefälligkeit führt ihn in einen Garten, zu einer speziellen Fischsauce - zu einem Foto, das er heute immer noch häufig ansieht.
Autor Marco Buch mit Großmutter und Mönch Autor Marco Buch mit Großmutter und Mönch
Autor Marco Buch mit Großmutter und Mönch

Ich bin nur wenig überrascht von diesem jungen Mönch, der mit erhobenem Daumen am Straßenrand steht.

Seit Tagen cruise ich auf einem Motorrad in der kambodschanischen Provinz Kampot herum. Ich lasse ihn in seiner orangefarbenen Kutte hinter mir aufsteigen. Da ich nicht Khmer spreche und er nicht Englisch, schweigen wir. Das Knattern der Enduro bleibt unser Soundtrack.

Der Mönch weist mir den Weg mit eleganten Bewegungen seines Zeigefingers. Da ich ohnehin ziellos unterwegs war, will ich ihn hinbringen, wo auch immer er hinmöchte. Als wir bei seinem Zuhause ankommen, lädt er mich mit dem Anflug eines Lächelns dazu ein, ihm zu folgen.

Er lässt mich im Garten zurück und verschwindet im Haus. Nur kurze Zeit später taucht er wieder auf, diesmal in Begleitung einer alten Frau, die nur seine Großmutter sein kann.

Eine gefährliche Sauce

Ich falte meine Hände zum Gruß, sie lächelt und bewegt sich mit steifem Gang. Dann zaubert sie ein fleckiges Einweckglas hervor und spricht ein paar leise Sätze auf Khmer. Als sie das Glas aufschraubt, haut mich der Gestank von fermentiertem Fisch fast von meinem Sitz.

Ich habe hier zwar schon oft Fischsauce gegessen, aber diese riecht wirklich, als sei sie schlicht und einfach verdorben. Ich ahne bereits, dass es nicht beim Riechen bleiben wird.

In der Provinz Kampot spielt der Fischfang eine große Rolle
In der Provinz Kampot spielt der Fischfang eine große Rolle
Quelle: Flickr Vision

Die Oma pflückt eine hellgrüne Mango vom nächsten Baum, schneidet sie in Scheiben. Dann bietet sie mir eine an und bedeutet mir, dass ich sie tief in die Sauce tunken soll.

Bei uns sagt man, dass unreife Früchte Magenschmerzen verursachen. Und fauler Fisch – damit kann man im Grunde nicht mal seine Katze füttern. Doch diese großzügigen Menschen hier bieten mir etwas an von dem Wenigen, das sie besitzen.

Bitter Lemon mit Matjes

Dieses Angebot abzulehnen wäre schlimmer als jeder noch so verdorbene Magen. Und so beginne ich, die zähe Frucht in die Sauce zu dippen und das Ganze zu einem bittersüßen Verwesungssaft zu zerkauen.

Anzeige

Der Geschmack ist überraschenderweise nicht mal wahnsinnig unangenehm, irgendetwas zwischen Bitter Lemon und Matjes. Die ungewöhnliche Kombination jedoch ist es. Ich esse tapfer, während die Frau mich bei jedem Bissen mit einem fast zahnlosen Grinsen beobachtet.

Kleider machen Leute: Für das Foto zog sich die alte Dame eigens um
Kleider machen Leute: Für das Foto zog sich die alte Dame eigens um
Quelle: Marco Buch

Dann schlurft sie zurück ins Haus. Ihr Enkel, der die ganze Szene mit einem Lächeln verfolgt hat, zeigt auf meine Kamera. Ich verstehe, was er möchte.

Als seine Großmutter zurückkehrt, hat sie ihren einfachen Kittel gegen ein makelloses weißes Kleid eingetauscht und sieht geradezu festlich aus. Hatte ich sie vorher noch für ein einfaches Mütterchen gehalten, will ich nun nicht mehr ausschließen, dass sie einmal eine einflussreiche Frau war. Der junge Mönch scheint meine Gedanken zu lesen. Er ruht noch immer in derselben Position und lächelt.

Eine sprachlose Begegnung

Die beiden nehmen eine unprätentiöse, aber stolze Haltung ein. Mit Selbstauslöser schieße ich einen Schnappschuss von uns dreien – er in dunklem Orange, sie in Weiß, ich in Backpackermontur.

Was uns optisch alle vereint, ist der kahl geschorene Schädel. Doch während ich auf dem Foto lächle, blicken die beiden mit undurchschaubaren Mienen in die Linse.

Dann nimmt die alte Frau meine Hand, schaut mir in die Augen und sagt etwas in ihrer Sprache, das sehr wohlwollend klingt. Im Türrahmen dreht sie sich noch einmal um und winkt.

Idylle in Kampot, Kambodscha
Idylle in Kampot, Kambodscha
Quelle: UIG via Getty Images

Ich gehe zum jungen Mönch, bedanke mich für alles und verabschiede ihn mit dem Wai, dem traditionellen Gruß mit gefalteten Händen. Dann schwinge ich mich auf die Enduro, trete den Kickstarter durch und knattere zurück in die Richtung, aus der wir gekommen sind.

Anzeige

Letzten Endes verträgt mein Magen die Mahlzeit einwandfrei. Ich verbringe die Nacht nicht wie befürchtet auf der Toilette. Stattdessen ertappe ich mich dabei, wie ich mir immer und immer wieder das Foto von uns dreien anschaue und versuche, vollends zu verstehen, was ich an diesem Nachmittag erlebt habe.

Marco Buch lebt in Berlin, wenn er nicht gerade für seinen Blog life-is-a-trip.com unterwegs ist.

Wer hier telefonieren will, muss auf den Telefonberg klettern

Digital Detox in der isländischen Einöde ist für die Einheimischen eher unpraktisch, für Touristen jedoch der Grund, zu kommen. Wer im Nationalpark Hornstrandir in Island telefonieren oder ins Internet will, muss klettern.

Quelle: WELT

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema