WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Kultur
  3. Medien
  4. So wird der neue deutsch-polnische „Polizeiruf 110“

Medien So wird der „Polizeiruf 110“

Es gibt sie doch noch. Die leisen, starken Fälle

Redakteur Feuilleton
Elmar Krekeler über den neuen Polizeiruf 110 aus Frankfurt (Oder)

Die 19-jährige Paula Borchert wird tot aus der Oder in der Nähe von Frankfurt geborgen. Kommissarin Olga Lenski und ihr Kollege Adam Raczek übernehmen die Ermittlungen. Elmar Krekeler sagt, ob es sich lohnt einzuschalten.

Quelle: WELT/Elmar Krekeler

Autoplay
Ein Au-Pair-Mädchen aus Polen wird ermordet beim deutsch-polnischen „Polizeiruf“. Es geht um das Verhältnis zweier Bevölkerungen, Grenzen und sexuelle Übergriffe. Ganz still. Und ohne Sensationslust.

Eine Brücke ist ja eigentlich ein Meisterwerk der Balance. Zumindest die schöne blaue über die Oder, die von der Kamera geradezu liebkost wird im neuen brandenburger „Polizeiruf“, ist eines.

Kein Gefälle zu beiden Seiten. Sie ruht in sich. Wo sonst nichts ruht. Und alles von Gefälle bestimmt und keine Balance ist.

Die Brücke verbindet Polen und Deutschland. Hans-Christian Schmid und Bernd Lange, die Autorenfilmer, die für den „Fall Sikorska“ ihr erstes „Polizeiruf“-Drehbuch geschrieben haben, mögen Grenzen, und Brücken mögen sie auch.

„Das Verschwinden“, die intensivste Miniserie des vergangenen Jahres, erzählte vom Riss nicht nur zwischen den Menschen, sondern auch zwischen Deutschland und Tschechien.

„Der Fall Sikorska“ erzählt von zwei Verbrechen. Einem Mord und einem Verschwinden. Ein polnisches Au-Pair-Mädchen wird ermordet – in verwackelten Rückblenden, die wie Leitplanken den sehr ruhigen Lauf der Ermittlung strukturieren, sieht man sie am Oder-Ufer ihre Sachen packen.

Lesen Sie auch
Die Profilerin Nadja Simon (Friederike Becht) macht vom Tatort Fotos, dabei werden auch welche gemacht, die von privater Natur sind.
Horrorserie „Parfum“

Sie arbeitete für Leo Heise, der mit seinen Kindern im Haus seines Vaters Gerd und seiner Stiefmutter Katarzyna lebt. 15 Jahre zuvor war Julia Sikorska, Katarzynas Tochter, verschwunden.

Sikorski, der Vater – Pole, Alkoholiker – verdächtigte Gerd, den deutschen Arzt, dass der sich an Julia vergangen hätte. Wegen sexueller Belästigung vorbelastet war der Mann auch.

Es ist ein scheinbar konventioneller Fall, in den Lange und Schmid die beiden Ermittler Lenski und Raczek vom grenzüberschreitenden Kommissariat in Swiecko an der Oder sich verwickeln lassen. Leise und langsam entsteht aber sozusagen aus den Seitenarmen der Geschichte ein aufklärerischer Strom.

Im „Fall Sikorska“ spielen Lange und Schmid und ihr Regisseur Stefan Kornatz ohne jegliche Schaueffekte, ganz beiläufig auf beinahe allen gesellschaftlichen und persönlichen Ebenen ihrer Ermittlung das Gefälle durch, das es immer noch diesseits und jenseits der Oder gibt.

Anzeige

Die Grenzen und Risse, die Sprach- und Sprechunterschiede. Selbst die beiden Kommissare bleiben sich weiter fremd. Und als gewissermaßen grenzüberschreitenden Kommentar zur MeToo-Debatte, zum Umgang und zur Vertuschung von Fällen sexuellen Machtmissbrauchs, kann man den „Fall Sikorska“ auch lesen.

Und kein Spektakel, kein Horror, nie kriegt die Geschichte hektische Flecken auf dem Gesicht. Selbst die Kommissare entfremden sich weiter leise. Es gibt sie noch, die stillen Fälle.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema