Kunstmuseum Basel
Was macht eigentlich eine Provenienzforscherin?

Katharina Georgi ist Provenienzforscherin. Sie untersucht alle Bilder, die im Zeitraum von 1933 bis 1955 ins Basler Kunstmuseum gelangt sind, auf ihre Herkunft.

Naomi Gregoris
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Die Hamburgerin Katharina Georgi betreibt für das Kunstmuseum Basel Provenienzforschung. Im Hintergrund: das Gemälde von Emil Nolde mit der irreführenden Plakette. roland schmid

Die Hamburgerin Katharina Georgi betreibt für das Kunstmuseum Basel Provenienzforschung. Im Hintergrund: das Gemälde von Emil Nolde mit der irreführenden Plakette. roland schmid

Roland Schmid

Kunstmuseum Basel, 2. Stock. Katharina Georgi steht vor einem Bild des deutschen Expressionisten Emil Nolde, auf dem eine schwarze Figur neben einer gelben Maske abgebildet ist. Ihr Blick richtet sich jedoch nicht auf das Werk, sondern die Plakette daneben: «Emil Nolde (1867–1956), Figur und Maske, 1911. Öl auf Leinwand. Depositum der Freunde des Kunstmuseums Basel 1944.» Georgi runzelt die Stirn. «Die muss ausgetauscht werden.»

Gut ein Jahr zuvor sitzt sie vor dem PC in ihrem Büro und sucht in der Datenbank des Kunstmuseums nach genau diesem Bild. Georgi ist Provenienzforscherin und hat zwei Jahre Zeit, alle Bilder, die im Zeitraum von 1933 bis 1955 ins Kunstmuseum gelangt sind, auf ihre Herkunft zu untersuchen. Zwei Jahre für 380 Bilder. Eine Herkulesaufgabe: chronologisch Jahr für Jahr durchgehen und versuchen, die Lücken zu schliessen. Lücken, die bei fast jedem Bild vorhanden sind, aber nicht immer bedenklich sein müssen. Bedenklich heisst: Deutschland, Zweiter Weltkrieg, Raubkunst. Georgi muss die Werke in vom Bundesamt für Kultur vorgesehene Kategorien einteilen. Von A für vollkommen unbedenklich bis D für eindeutig problematisch. Das Gemälde von Emil Nolde gehört potenziell in die Kategorie D.

Spur für Spur

Im Eintrag des Werkverzeichnisses findet die promovierte Kunsthistorikerin zwei Angaben: «Wilhelm Landmann, Mannheim 1921» und «Eingang ins Depositum der Freunde des Kunstmuseums Basel, 1944» Mehr nicht. Da ist sie, die Lücke: Was geschah zwischen 1921 und 1944 mit diesem Bild?

Georgi tastet sich heran, wie eine Detektivin: Spur für Spur auf die Lösung zu. Die erste Spur geht von Wilhelm Landmann aus. Georgi googlet den Namen (kleiner Beruhigungsseufzer unsererseits: Ja, auch Provenienzforscher googlen) und stösst auf eine bewegte Biografie: Landmann war ein jüdischer Unternehmer und Kunstsammler, der 1936 seine Heimatstadt Mannheim verliess und nach Amsterdam emigrierte. 1939 – Holland steht kurz vor der Besetzung durch die Deutschen – übergibt er seine Sammlung dem Stedelijk Museum und geht nach Toronto ins Exil. Unter den Bildern befindet sich auch das Gemälde von Nolde – allerdings nicht für lange Zeit.

Die zweite Spur beginnt in Basel. Georgi arbeitet sich durch die Direktionskorrespondenzen und stösst auf einen Briefwechsel zwischen dem damaligen Direktor des Kunstmuseums Georg Schmidt und dem jüdischen Kunsthändler Herbert Tannenbaum, der seinerseits in Korrespondenzen von Landmann auftaucht. Schmidt äussert Interesse an Nolde-Bildern, worauf ihm Tannenbaum 1939 bei einem Besuch in Basel «Figur mit Maske» bringt. Kaum im Stedelijk angekommen, wird das Bild also bereits wieder umgesiedelt.

Von D zu B

In Basel setzt sich Schmidt für den Nolde ein – blitzt aber bei der Kunstkommission ab. Zu subversiv. Das Bild wird eingelagert – und bleibt in Basel, bis es 1944 in einer Ausstellung ausgestellt wird. Beweisen lässt sich das nicht, die Annahme liegt aber nah: In den Korrespondenzakten findet Georgi ein Schreiben, in dem sich Tannenbaum 1946 an Georg Schmidt wendet. Er will den Nolde zurück, Landmann ist dabei, von Toronto aus seine Sammlung wieder zusammenzuführen. Schmidt wittert eine zweite Chance: Er fragt den Kunsthändler, ob es möglich wäre, das Bild anzukaufen. Dieser erkundigt sich bei Landmann, der zustimmt, aber einen so hohen Preis verlangt, dass das Museum keine Chance hat. Da schalten sich die Freunde des Kunstmuseums ein: Sie kriegen das Geld zusammen und übergeben das Werk dem Museum. Die Spuren haben zusammengefunden, die Lücke ist geschlossen. Georgi öffnet die Liste mit den 380 Werken, findet den Nolde und tippt ein B: Die vorhandenen Informationen lassen auf eine unbedenkliche Provenienz schliessen.

Bleibt das Problem mit der Plakette: Wieso steht da 1944, wenn das Bild erst 1947 angekauft wurde? Das habe mit einem irreführenden Eintrag im Protokoll der Freunde des Kunstmuseums zu tun, sagt Georgi. Die hätten festgehalten, dass sie das Bild 1944 nach der Ausstellung ersteigert hätten. Da habe einer wohl vor lauter Begeisterung etwas vorgegriffen. Und schwupps, wird falsche Geschichte geschrieben.

Führung mit Katharina Georgi zum Thema «Herausforderung Provenienzforschung»: 28. November, 18.30 Uhr, Hauptbau Kunstmuseum Basel.