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Kunst Gustav Klimt

Nie waren die Frauen so erotisch wie bei Klimt

Leitender Feuilletonredakteur
KLIMT - Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 14.11.2018 bis 06.01.2019 Gustav Klimt: Liegender Akt, 1914/15, Bleistiftzeichnung, 37,5 x 57 cm, Wien, Albertina, Foto: Albertina Wien KLIMT - Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 14.11.2018 bis 06.01.2019 Gustav Klimt: Liegender Akt, 1914/15, Bleistiftzeichnung, 37,5 x 57 cm, Wien, Albertina, Foto: Albertina Wien
Erotisch und subtil: So konnte nur Gustav Klimt die Frauen zeichnen
Quelle: Albertina Wien
Er hat die Frauen in Gold und Gaze gekleidet. Er hat sie überhöht und monumentalisiert. Gustav Klimt hat die Aura der Frauen gemalt wie niemand sonst. Wie wirkt das im Zeichen der Genderdebatten?

Mein Schatz. Mein Juwel. Mein Edelstein: Kein Maler hat mit diesen Kosenamen für weibliche Wesen so ernst gemacht wie Gustav Klimt. Er hat sie überhöht und monumentalisiert. Er hat sie in Gold gekleidet oder unter Baldachine von Smaragd gesetzt. Bis hin zur Entpersönlichung versah er Frauen vor allem der jüdisch-österreichischen Oberschicht um 1900 mit allen Kostbarkeiten des Kunstgewerbes und machte etwas aus ihnen, das mitunter aussah, als sei’s eine Sonderanfertigung der Wiener Werkstätten für Schmuck und Design.

Natürlich schmeichelte das den Auftraggebern und erst recht den porträtierten Damen. Wahrscheinlich gefällt es jedem Menschen, wenn man an seiner Aura arbeitet. Und das Frauenbild in einer noch immer weitgehend patriarchalischen Gesellschaft, wie sie in der Donaumonarchie vor dem Ersten Weltkrieg bestand, beförderte diesen Zug ins dekorativ Exquisite, wenn es um die Darstellung von Frauen ging.

Die Vorliebe der meisten Künstler jener Zeit für die Femme fatale, dann aber auch für die Femme fragile, tat ein Übriges. Kein Mensch wäre im Jahr 1907 auf die Idee gekommen, an jenem damals entstandenen Bild Anstoß zu nehmen, das wahrscheinlich die meisten Menschen optisch präsent haben, wenn der Name Gustav Klimt fällt: jene „goldene Adele“, die dem amerikanischen Unternehmer Ronald Lauder, der sie für seine Neue Galerie in New York erwarb, 135 Millionen Dollar wert war.

Goldenes Kleid, goldener Käfig

Adele Bloch-Bauer in ihrem goldenen Kleid, um nicht zu sagen Käfig, vor üppigem Goldgrund, in den verschiedene geometrische Muster eingewoben sind, ist typisch für die Art, in der Klimt seine weiblichen Figuren präsentierte. Ihr Körper, ganz vom Kleid aufgesogen, befindet sich in einer Art Schrein. Man denkt an eine ägyptische Mumie, an eine Tote. Wären da nicht, in denkbar scharfem Kontrast zu dem auf kostbar getrimmten Gesamtgestus des Bildes: Gesicht, Hals und Dekolleté der Porträtierten.

KLIMT - Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 14.11.2018 bis 06.01.2019 Gustav Klimt : Bildnis Marie Henneberg, 1901/1902, Öl auf Leinwand, 140 x 140 cm, Kulturstiftung Sachsen-Anhalt - Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Punctum/Bertram Kober봐
Gustav Klimts Porträt der Marie Henneberg entstand 1901/02
Quelle: Punctum/Bertram Kober

Hier, und nur hier, in diesem kleinen Geviert, das sich in den Wogen des Ornamentalen um sie herum fast zu verlieren scheint, ist Leben. Hier spricht sich ein menschliches Wesen aus, das sich nun allerdings mit allen realistischen Mitteln psychologischer Durchdringung in fast schon schmerzlicher Eindringlichkeit an den Betrachter wendet.

Und genau das verleiht den Bildern Gustav Klimts jene Ambivalenz, die ihn nach wie vor zu einem faszinierenden Künstler macht. Wer ihn nur als jugendstilbewegten Verfertiger von aparten Preziosen handelt, rückt ihn in die Nähe von Edelkitsch. Wer sich im Wiener Belvedere die weltgrößte Sammlung von Klimt-Gemälden anschaut, verlässt daher die Ausstellung nicht selten mit der leisen Übelkeit eines Menschen, der seinen Magen durch den übermäßigen Genuss von Sachertorte mit Schlagobers malträtiert hat.

Weg vom Edelkitsch

Hingegen macht es Halle an der Saale richtig. Die Moritzburg, seit Neuestem von dem umtriebigen Thomas Bauer-Friedrich geleitet, der schon aus der Sammlung Gunzenhauser in Chemnitz ein im besten Sinne diskursives Museum gemacht hat, geht aus Anlass des 100. Todestages von Gustav Klimt einen betont anderen Weg als Österreich, was das Klimt-Gedenken angeht. Anstatt ihn einfach nur zu zelebrieren, stellt man ihn in Halle jetzt zur Diskussion.

KLIMT - Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 14.11.2018 bis 06.01.2019 Blick in die Halle der Villa Henneberg mit Gustav Klimts Bildnis Marie Henneberg, 1903, Kamin aus Paonazzetto-Marmor, Eisen und vergoldetem Messing, in: Unveränderter Wiederabdruck mit den historischen Abbildungen aus: Moll, Carl: »Villenkolonie Hohe Warte. Erbaut von Prof. Joseph Hoffmann«, in: Das Interieur. Wiener Monatshefte für angewandte Kunst, Jg. 4, 1903, S. 121–152
Und so hing Marie Hennebergs Portät in der Villa Henneberg in Wien
Quelle: Wiener Monatshefte für angewandte Kunst吐

Dass dies überhaupt möglich ist, kommt einer kleinen Sensation gleich, denn Werke Klimts gelangen selten über die Grenzen seines Landes hinaus. Hier kann man aber nun zehn Gemälde bestaunen – und anhand von annährend 70 Zeichnungen nachvollziehen, wie akribisch einerseits Klimt die Auratisierung seiner Frauenbildnisse vorbereitete. Andererseits entdeckt man hier einen Meister der subtilen Strichführung, der sich selbst vor einem Holbein nicht zu verstecken braucht.

Zentrum der Hallenser Schau ist das Bildnis der Marie Henneberg. Hier handelt es sich gewissermaßen um die „Mona Lisa“ des Museums, denn diese Ikone des Wiener fin de siècle gelangte bereits 1966 ins Haus. Der Crash von 1918, der so vieles von dem hinwegfegte, was die „Welt von gestern“ ausmachte, führte auch zum Ruin der Familie des Unternehmers und Künstlers Hugo Henneberg. Und als er starb, sah sich seine Frau endgültig gezwungen, ihr großformatiges Porträt zu veräußern. Es hatte, wie wir hier anhand von alten Fotos sehen können, den Blickfang gebildet in der Eingangshalle der Henneberg-Villa. Sie war von Josef Hoffmann, wem auch sonst, entworfen worden für die Wiener Künstlerkolonie Hohe Warte.

Erotische Empfänglichkeit

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Wo die „goldene Adele“ in glitzerndem Geschmeide zu ertrinken scheint, sieht es so aus, als sei Marie Henneberg in ein Gebirge von Sahnebaiser eingetaucht. Kleid und Schal aus Tüll, Seide, Organza umschmeicheln silbrig eine Frau, deren Körper verschwimmend in ein Fauteuil gegossen lagert. Nur minimale Farbakzente heben sich raffiniert aus dieser duftig vibrierenden Grisaille heraus: ein Veilchenbouquet, das wie eine große Amethystbrosche unterhalb des Halses sitzt, ein zierliches Goldarmband sowie der schwarze Haarhelm.

Und damit sind wir wieder beim Gesicht. Wo das der „goldenen Adele“ sinnlich mit den halb geöffneten roten Lippen erotische Empfänglichkeit signalisiert, drückt das Antlitz der Henneberg vor allem Blasiertheit aus. In die Ferne schauen sie beide. Dass Klimt allerdings auch weniger entrückte Frauen malen konnte, zeigen jetzt drei unglaublich eindrucksvolle Kontrastbilder hier in Halle.

KLIMT - Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 14.11.2018 bis 06.01.2019 Gustav Klimt: Eugenia Primavesi, 1913/1914, Öl auf Leinwand, 140 x 85 cm, Japan, Toyota Municipal Museum of Art, Foto: ©2017. Photo Austrian Archives/Scala Florence
Das BIldnis der Eugenia Primavera enstand 1913
Quelle: Austrian Archives/Scala Florence

Da wäre einesteils ein frühes, kleinformatiges Bildnis der Schwester. Es stammt von 1880 und ist noch ganz Gemüt, ganz trautes 19. Jahrhundert. Nur die dreireihige Perlenkette sowie der üppige Rüschenbesatz des Halsausschnitts deuten auf die spätere Verkunstgewerblichung hin, mit der der Maler seine weiblichen Bildnisse aufzuwerten trachtete.

Ein Paket namens Frau

Ganz anders dann 1913 Eugenia Primavera: die Frau als Blume, gebettet in eine Wiese. Und aus den floralen Gebilden schaut das Gesicht einer Kammerzofe vom Lande, der die gnädige Frau gestattet hat, sich ausnahmsweise einmal in ihrem hochwohlgeborenen Kleiderschrank zu bedienen. Schließlich die 1917 nicht mehr vollendete Amalie Zuckerkandl. Großartig! Wie in einem Bühnenbild von Becketts „Endspiel“ scheint hier jemand zu versinken, und nur das konzentrierte Mienenspiel, der fixierende Blick, ein hektisch Worte bildender Mund sprechen noch von nervöser Lebendigkeit.

Und auf einmal spürt man: Ja, hier ist mehr im Spiel als die Brokatverschnürung eines Pakets namens Frau. Das sind keine Puppen in eleganten Kartons. Die Verdinglichung der Frau, ihre Zurichtung für den mal sexuell motivierten, mal ums Prestige besorgten Zugriff des Mannes, der die Fragmentierung eines menschlichen Wesens zur Voraussetzung hat – solche Assoziationen werden diesen Werken nicht gerecht. Auch die ungemein erotischen Zeichnungen des Malers sprechen eine andere Sprache.

Achtung, Geheimnis!

Sie zeigen in sich versunkene, träumerische weibliche Wesen, die mal masturbierend, mal lasziv ihrer Kleidung sich entledigend, ganz bei sich selbst sind, ganz bei sich selbst gelassen und gesehen werden aus der respektvollen Distanz eines Bewunderers, der allerlei Beweggründe haben mag, diese Frauen darzustellen, der aber eines deutlich dem Betrachter kommuniziert: Achtung, Geheimnis. Vorsicht, hier ist ein Mensch. Und das versöhnt dann sogar mit der Bijoutisierung, die Kilmt als Kind seiner Zeit manchmal für unsere heutigen Begriffe arg penetrant an seinen Modellen vornimmt.

KLIMT - Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 14.11.2018 bis 06.01.2019 Gustav Klimt: Brustbild einer Dame von vorn, 1916/17, Bleistift, 56,9 × 37,3 cm, W&K – Wienerroither & Kohlbacher, Wien, Foto: W&K – Wienerroither & Kohlbacher, Wien
Sieht aus wie Elisabeth Bergner, ist es aber nicht: Klimts Zechnung einer Unbekannten stammt von 1916
Quelle: Peter Schuhboeck / W&K Wien

Gerade das Konzept dieser Ausstellung mit ihrer Gegenüberstellung von Zeichnung und Gemälde beglaubigt den humanen, über den Verdacht des Sexistischen wohl doch erhabenen Ansatz Gustav Klimts. Und so kann man diesen Maler samt seinen hier gezeigten Ikonen (zu denen auch einige grandiose Landschaften gehören) in Halle besseren Gewissens genießen als in Wien: weil er hier nicht nur gefeiert, sondern auch befragt wird.

„Gustav Klimt“, Kunstmuseum Moritzburg in Halle. Bis 6. Januar

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