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Meinung 5G-Netzausbau

Deutschland hat sich beim Mobilfunk komplett verzockt

Wirtschaftsredakteur
Das mobile Internet wird schneller - Funklöcher bleiben dennoch

Die Bundesnetzagentur schärft die Auflagen zum Ausbau des schnellen mobilen Internets. Die Telekommunikationsunternehmen beklagen das und sehen die Umsetzung als „unrealistisch“ an.

Quelle: WELT / Sebastian Plantholt

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Im europäischen Vergleich ist Deutschland bei der 4G-Abdeckung auf dem Stand eines Entwicklungslandes – eine flächendeckende 5G-Abdeckung wirkt utopisch. Die Anbieter und der Staat stehen beide in der Verantwortung. Wo bleibt der Aufschrei?

Eigentlich hat alles gut angefangen. „Wir werden bestehende Funklöcher und weiße Flecken beim Mobilfunk und mobilen Internet zügig schließen“, hielt die Regierung in ihrem Koalitionsvertrag fest. „Wir forcieren den Ausbau der Mobilfunkversorgung und entwickeln Deutschland zum Leitmarkt für 5G.“ Problem erkannt, Ziel formuliert. Was kann da schon schiefgehen? Sehr viel, wie sich nun zeigt.

Die Regeln für die nächste Frequenzversteigerung der fünften Mobilfunkgeneration 5G sind festgezurrt. 1000 Antennen müssen die Netzbetreiber jeweils bis Ende 2022 bauen. Bei einer Reichweite von wenigen Hundert Metern kann man das höchstens ein Pilotprojekt nennen. Ein Netz ist das nicht. Und ein 5G-Leitmarkt natürlich auch nicht. Für Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) ist das kein Problem. 5G sei ja nicht an jeder Milchkanne notwendig, sagte sie.

Quelle: Infografik WELT

Oh doch! Deutschlands Zukunft ist smart und vernetzt. Das gilt auch für Milchkannen, Telemedizin, autonomes Fahren, ganze Städte und Fabriken, die sich selbst steuern. Die Digitalisierung fegt derzeit über Wirtschaft und Gesellschaft hinweg. Ökonomen erwarten einen lang anhaltenden Wachstumsschub für jene Volkswirtschaften, die in der Lage sind, diese Entwicklung mitzugestalten.

Schnelle Netze sind dafür die Grundlage. Wer nicht zum Nachzügler werden will, muss sie nun schnell bauen. Denn die Gefahr ist groß, hier den Anschluss zu verlieren. Länder wie China und die USA sind längst losgelaufen in Richtung 5G. Es ist vielleicht ambitioniert, von einem Leitmarkt zu träumen. Doch es wäre töricht, es nicht zu versuchen.

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Leider ist die Ausgangsposition denkbar schlecht. Ein Vierteljahrhundert nach dem Start des digitalen Mobilfunks ist Deutschland nach wie vor übersät mit Funklöchern. Selbst Wirtschaftsminister Peter Altmaier telefoniert im Auto nicht mehr mit ausländischen Ministerkollegen, weil ihm die Gesprächsabbrüche peinlich sind. Auch in Zügen ist die beliebteste Smartphone-Funktion die Wahlwiederholung. Wer außerhalb von Städten unterwegs Mitteilungsbedarf hat, redet besser mit seinem Nebenmann oder seiner Nebenfrau als mit seinem Handy. Noch schlimmer ist es im mobilen Internet. Vielerorts ist eine schnelle und stabile Datenverbindung schlichtweg nicht möglich. Bei der 4G-Abdeckung sind wir im europäischen Vergleich ein Entwicklungsland.

Den Mobilfunkern daran allein die Schuld zu geben verkennt die Realität. Denn der Markt ist weitgehend reguliert. So ist der Staat für die Vergabe der Frequenzen zuständig, die meist über eine Auktion vergeben werden. Auf diese Weise kann er steuern und die Vergabe mit Auflagen versehen, wie es in der Vergangenheit immer wieder geschehen ist. Jetzt über Funklöcher zu schimpfen heißt zugleich einzugestehen, die falschen Anreize gesetzt zu haben.

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Tatsächlich ging es dem Staat immer auch darum, seinen Teil abzuschöpfen. Jede Auktion hat in der Vergangenheit auch den Finanzminister erfreut, weil er damit viel Geld einnehmen konnte. Bei der Vergabe der 3G-Frequenzen im Jahr 2000 waren es mehr als 50 Milliarden Euro, die von den Netzbetreibern bezahlt werden mussten. Der anschließende Ausbau war ein Desaster, weil dafür schlichtweg kein Geld mehr übrig war. Da fällt es natürlich leicht, mit dem Finger auf Netzbetreiber zu zeigen und über Funklöcher zu schimpfen.

Genauso leicht ist es in der aktuellen Situation, ein flächendeckendes 5G-Netz zu fordern, wenn es von privaten Unternehmen bezahlt werden soll. Dabei steht die Notwendigkeit eines solchen Netzes bei allen Beteiligten außer Frage. Denn in einer vernetzten Welt hängt alles miteinander zusammen. Das gilt auch für künstliche Intelligenz (KI) und 5G. Doch während die Bundesregierung für KI eine nationale Strategie erarbeitet hat und dafür Milliarden ausgibt, scheint sie bei 5G die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Die Auktion dafür ist für das kommende Frühjahr geplant.

Im Grunde geht es bei 5G nicht um das Ob, sondern um den besten und schnellsten Weg dorthin. Wenn man sich nun dafür entscheidet, den Ausbau der Wirtschaft zu überlassen, sollte man auch die Logik anerkennen, nach der Unternehmen handeln. Netzbetreiber sammeln ihr Geld für den Ausbau bei Investoren ein, die es nur zur Verfügung stellen, wenn sich das Vorhaben am Ende lohnt. Je höher nun die Ausgaben für die Frequenzen sind, desto schwieriger wird es, den Ausbau zu finanzieren. Wer nun 5G zur Daseinsvorsorge erklärt, damit eben auch jede Milchkanne erreicht wird, muss sich die Frage gefallen lassen, wer das am Ende bezahlen soll.

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Diese Entscheidung ist aber längst gefallen. Es wird wieder eine Versteigerung geben, bei der wieder einige Milliarden Euro in die Staatskasse fließen. Wie gehabt. Dabei hätte es andere Möglichkeiten gegeben. Man kann Frequenzen mit hohen Auflagen versehen und ohne Auktion vergeben. Nun werden sie versteigert und trotzdem mit hohen Auflagen versehen. In den Verpflichtungen stecken darüber hinaus noch einige bittere Pillen, von denen noch niemand weiß, was sie am Ende bedeuten.

So zerbrechen sich derzeit die Rechtsabteilungen der Mobilfunker die Köpfe über die Möglichkeit des Roamings. Wer muss wen ins Netz lassen unter welchen Bedingungen? Wie sehr unterscheidet sich das vorgesehene Verhandlungsgebot von einer Pflicht? Und was bedeutet es, wenn sich die Bundesnetzagentur als Schiedsrichter ins Spiel bringt? Die Politik hat darüber hinaus angekündigt, Roaming-Regelungen in ein geändertes Telekommunikationsgesetz zu schreiben.

Einige der Ausbauverpflichtungen der kommenden Auktion, darunter die komplette Funkabdeckung der Bundes-, Landes- und Staatsstraßen, Bahnverbindungen und Wasserstraßen sind nur mit alten Frequenzen zu machen, die aber unter anderen Voraussetzungen ersteigert wurden. Auch das könnte vor Gericht landen – und im schlimmsten Fall mit der Rückabwicklung einer Versteigerung enden. Dann hätte Deutschland sein 5G-Desaster komplett. Ob die Mobilfunker am Ende tatsächlich klagen werden, ist noch offen. Sie alle haben gute Gründe, es sich nicht mit der Politik zu verscherzen. Doch dass es überhaupt zu so einer Situation gekommen ist, zeigt, wie sehr sich Deutschland verzockt hat.

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