Fussball
Das war das Jahr 2018 für Nationaltrainer Vladimir Petkovic

Nationaltrainer Vladimir Petkovic schaut auf bewegende Momente des Jahres 2018 zurück. Gedanken zur WM, der jetzigen Mannschaft und der tollen Leistung im Belgien-Spiel – und was die Schweizer Nati im neuen Jahr 2019 so alles erwarten wird.

Etienne Wuillemin
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Vladimir Petkovic blickt zurück auf die Ereignisse dieses Jahres.

Vladimir Petkovic blickt zurück auf die Ereignisse dieses Jahres.

Keystone

Die Weltmeisterschaft: «Wir bezahlten zu teuer»

«Es war eine WM, die viel Energie gekostet hat. Wenn ich an all das denke, was vor und nach dem Spiel gegen Serbien passierte, vor und nach dem Spiel gegen Schweden auch. Wir bezahlten zu teuer dafür. Gerade in diesem Achtelfinal. Ich bleibe dabei: Schweden war kein Aussenseiter. Nach dem 0:1-Rückstand hatten wir die mentale Energie nicht mehr, um zu reagieren. Wahrscheinlich, weil wir schon zu viel verbraucht hatten. Wenn ich den Sommer mit einem Ausdruck beschreiben müsste, dann wäre es: «organisiertes Chaos». Es waren viele Nebengeräusche. Manchmal etwas zu viel Polemik, die auch mich traf. Von einigen Stimmen bin ich nun bestimmt schon drei, viel Mal entlassen worden. Aber ich bin den Gegenwind gewohnt. Und spüre immer Rückendeckung vom Verband. Und ich spüre, im Volk beliebt zu sein.
Ja, ich würde im Rückblick einige Dinge anders machen. Aber das ist gar nicht so einfach. Schliesslich hatten wir ein Team, das sich mit zehn Siegen und je einer Niederlage und einem Unentschieden für die WM qualifizierte.»

Die Mannschaft: «Gute Zukunft ist garantiert»

«Wir brauchten nach der WM etwas frische Luft. Aber ein Umbau war es noch nicht. Um es klarzustellen: Wer nicht von sich aus auf das Nationalteam verzichtet, bleibt auf unserer Kandidatenliste. Jeder Spieler muss sich immer wieder von neuem bewähren. Die Frage, ob ich einen Akteur brauche, ist immer eine Momentaufnahme. Ich denke auch nicht jetzt schon an die EM im Juni 2020. Mit Captain Stephan Lichtsteiner bin ich im ständigen Kontakt. Wir alle kennen seinen Wert, seine Fähigkeiten – und ich werde auch künftig genau abwägen. Vom jetzigen Stammteam sind etwa sechs oder sieben Spieler unersetzbar. Ein Fazit lautet: Wir sind gut. Aber nicht so gut, dass es auch mit dem B- oder C-Team automatisch reicht, egal, wie unsere Leistung ausschaut. Wenn ich sehe, wie viele Junge wir derzeit haben, denke ich: Eine gute Zukunft ist garantiert.»

Der Heusler-Bericht: «Rede seit Jahren davon»

«Ich habe auch mitbekommen, dass ich nun wohl bald einen neuen Chef erhalten werde. Entscheidet er dann, wer spielt? Nein, Spass beiseite. Ich denke, der Schweizer Fussball erhält nun die Möglichkeit, noch einmal auf eine noch höhere Ebene zu kommen. Wir sind seit August in einem Prozess. Und es ist gut, dass dieser auch auf struktureller Ebene fortgeführt wird. Ich hoffe, die von Bernhard Heusler vorgeschlagenen Punkte werden so schnell wie möglich umgesetzt. Was die Infrastruktur betrifft, kann ich nur sagen: Ich rede seit Jahren davon, dass es möglich sein muss, einen guten Platz für uns zu finden. Ich denke auch, das Rasen-Niveau in den Stadien sollte höher sein. Spontan erinnere ich mich an drei Mal Wasserball. Es ist also sehr in meinem Sinn, wenn auch in diesem Bereich etwas geschieht. Wobei ich damit rechne, etwas Geduld haben zu müssen.»

Die Nations League: «Anerkennung weltweit»

«Bereits das 6:0 gegen Island zeigte: Wir sind intakt, homogen und verfügen über einen starken Teamgeist. Und zum Schluss nun dieses wunderbare 5:2 gegen Belgien, da haben meine Spieler ein grosses Lob verdient. Diese Partie zeigte, wie sehr sie für die Nati leben. Es zeugt von Qualität, einmal ein solches Spiel so zu gestalten. Nun hoffe ich natürlich schon, dass wir die Rückstände künftig nicht provozieren. Immer wird eine Wende nicht gelingen. Aber trotzdem kann so eine Erfahrung eine enorme Hilfe sein: Diese Wende bleibt bei allen für immer im Kopf. Und damit auch der Glaube, dass so eine verrückte Aufholjagd möglich ist. Das kann helfen für die Zukunft. Wir haben für diesen Sieg weltweite Anerkennung erhalten. Einerseits Schlagzeilen in den Medien. Andererseits fand ich es beeindruckend, wie viele Leute mich anriefen. Aus Italien, Deutschland, dem Balkan, aber auch Argentinien. Das zu spüren tut gut. Und trotzdem ist mir wichtig: Man kann nun nicht ewig von diesem Belgien-Spiel leben.»

Das Jahr 2019: «Gesundheit und Dominanz»

«2018 war ein positives Jahr. Die Nebengeräusche waren um uns herum – nicht direkt im Team. Trotzdem geht es manchmal auf die Nerven, wenn man einen WM-Achtelfinal erreicht hat, aber fast das Gefühl eines «Kriegszustands» dominiert. Fürs neue Jahr wünsche ich mir Gesundheit. Das ist die Voraussetzung, um physisch und mental alles geben zu können. Eine gepflegte Seele hilft im Alltag ebenfalls. Am Sonntag erfahren wir, wer unsere Gegner in der EM-Qualifikation sein werden. Die Gruppe könnte durchaus spannend und auch unangenehm werden. Aber wir sind in Topf 1 und wollen deshalb dominieren. Am Tag darauf werden die Halbfinals der Nations League ausgelost. Das ist für uns Bonus und Genuss. Wir können stolz sein, an diesem Turnier dabei zu sein. Und irgendwann wird auch die Zeit kommen, um mit Valon Behrami an einen Tisch zu sitzen und darüber zu reden, was im August passiert ist. Es ist schade, wie sein Rücktritt zustande gekommen ist.»