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Kultur Stephen Hillenburg †

Darum ist SpongeBob Schwammkopf so großartig

Redakteur
Der Erfinder der Zeichentrickserie „SpongeBob Schwammkopf“ ist gestorben. Stephen Hillenburg erfand eine wunderschöne Welt auf dem Meergrund – samt protestantischer Ethik in der Krabbenburgerbraterei.

Wer von Kunst sprechen will, darf von Naivität und Unschuld nicht schweigen. Es sind Arlecchino und Simplizius, die uns rühren. Und deshalb, oooooooooooh, wer wohnt in ’ner Ananas ganz tief im Meer? Und die Antwort ist klar wie Kloßbrühe, gesungen von einem Haufen Kinder, SpongeBob Schwammkopf.

Jeder der mehr als 250 Folgen der Serie beginnt so, sie alle erzählen vom unbändigen Optimismus des einfältigen Schwamms mit den eckigen Hosen. Es gibt betrüblichen Anlass, sich SpongeBob mit Tränen vorzustellen, sein Erfinder Stephen Hillenburg ist am Montag mit nur 57 Jahren gestorben. Er litt an der Nervenkrankheit ALS, 2017 hatte er die Krankheit öffentlich gemacht.

Als Kind schwärmte Hillenburg für Jacques Cousteau und seine Filme, mit 14 Jahren begann er in Kalifornien zu tauchen, was, wie er sagte, ihn schier umhaute. Er studierte Meeresbiologie und arbeitete als Lehrer, zugleich interessierte Hillenburg sich für Zeichentrickfilme. In den 90er-Jahren arbeitete er für den Kindersender Nickelodeon, dort präsentierte er die Idee zu SpongeBob, er trat im Hawaiihemd an, hatte ein Aquarium dabei und sang mit einer Muschel in der Hand. Das funktionierte. Anarchy under the sea.

ARCHIV - 31.01.2015, USA, New York: Stephen Hillenburg, Erfinder der Zeichentrickserie «SpongeBob Schwammkopf», kommt zur Premiere des Films «The SpongeBob Movie: Sponge Out Of Water» (deutsch: «SpongeBob Schwammkopf 3D»). Hillenburg ist am Montag (26.11.2018) im Alter von 57 Jahren an der Nervenkrankheit ALS gestorben, teilte der Sender Nickelodeon am Dienstag mit. Foto: Charles Sykes/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Stephen Hillenburg – hier 2015 bei der Premiere des zweiten SpongeBob-Films
Quelle: dpa

Ab 1999 lief die Serie in den USA, ab 2002 in Deutschland, jede Folge dauerte elf Minuten. SpongeBob ist Angestellter aus Leidenschaft, er brät Krabbenburger im Fast-Food-Restaurant von Mr. Krabs – ein Protestant, wie die karge Einrichtung seiner Ananas nahelegt. Max Webers religionssoziologische Überlegungen zum Geist des Kapitalismus hat er jedenfalls verinnerlicht. Niemand schuftet so für sein Leben gerne wie dieser Junge – es ist nicht ganz klar, ob es auf dem Meeresgrund Gesetze gegen Kinderarbeit gibt.

SpongeBob ist hibbelig und servil, manchmal verängstigt und depressiv, immer uneigennützig und vertrauensselig, ein Träumer und ADHS-Patient, der auch auf dem Meeresgrund allen Verwertungsketten und Verblendungszusammenhängen anheimfällt.

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Aber was soll’s, SpongeBob freut sich über jede Kleinigkeit, und wer sich als Zuschauer nicht mit ihm und dem wirklich tumben Seestern Patrick, dem griesgrämigen Tintenfisch Thaddäus, dem von der Nasa entsandten Eichhörnchen Sandy und all den anderen freut, der hat womöglich nicht genau genug hingeschaut. Denn in allen vier Ecken soll Liebe drin stecken. Selbst wenn der schurkische Plankton wieder einmal die Formel für den Krabbenburger stehlen will.

„SpongeBob Schwammkopf“ zeigt oft genug unsere Welt, wie sie ist und manchmal, wie sie sein soll. Man kann in Bikini Bottom Melancholie und Gesellschaft finden, aber auch Surrealismus und Satire. Einfach für Kinder sind die Folgen nie, sonst wären sie ja langweilig. Wie wichtig die Serie ist, sieht man schon daran, dass Evangelikale in den USA SpongeBob prompt Homosexualität unterstellten.

Es entstanden neben der Serie zwei Kinofilme über Bikini Bottom, dazu Puppen, Kissen, Bettwäsche, für ein genügsames Wesen, das so gerne singt und spielt, ist das nicht wenig. Stephen Hillenburg hatte sich nach dem ersten Kinofilm 2004 zurückgezogen; ein dritter soll 2020 erscheinen.

Mein Lieblingslied singen SpongeBob und Patrick im 1000-Taube-Nüsschen-Nusseis-Partyboot. Es geht so: „Ich bin ein taubes Nüsschen, yeah. Du bist ein taubes Nüsschen, yeah. Wir alle sind taube Nüsschen, yeah.“ Seit dem Orakel von Delphi wurde nicht mehr so ergreifend „Erkenne dich selbst“ gesagt. Danke, Mr. Hillenburg.

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