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Hamburg Kundenschwund

Droht Hamburgs Innenstadt zu veröden?

Viele Kunden kaufen lieber online Viele Kunden kaufen lieber online
Viele Kunden kaufen lieber online
Quelle: picture alliance/dpa
Die Konkurrenz durch den Online-Handel setzt den Gewerbetreibenden zu, aus dem Hamburger Einzelhandel kommt nun ein Hilferuf. Nun soll die Politik helfen, das Stadtzentrum aufzuhübschen.

Kann ein Stadtoberer verhindern, dass seine Bürger seit etlichen Jahren ihre Kapuzenpullis und Bücher lieber bei Onlineanbietern als in der Fußgängerzone der Stadt kaufen? Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher hat sicher viele Talente, dieses Maß an Überzeugungskraft dürfte nicht dazugehören.

„Größte Herausforderung unserer Geschichte“

Der Trägerverband Innenstadt, ein Zusammenschluss der Gewerbetreibenden und Grundeigentümer, hatte Tschentscher dennoch eingeladen, der etwas dramatische Titel der Aussprache lautete: „Ist die Innenstadt noch zu retten?“

Und der Vorsitzende Ludwig Görtz schloss sich in seiner Rede gleich an das markige Motiv an, der Online-Handel stelle die Innenstädte vor die größte „Herausforderung ihrer Geschichte“, die Bindung des Handels an bestimmte Orte ende. Andere Faktoren müssten an Gewicht gewinnen, wenn die Innenstadt ihre Rolle als Mitte des Gemeinwesens behaupten wolle.

Geht es nach der politischen Opposition, wäre so ein Faktor eine Neugestaltung der Binnenalster. An der Alster flanieren und zu Abend essen – und das auf schwimmenden Pontons, so lauteten die Vorschläge der CDU, eine Machbarkeitsstudie soll nun die Chancen ausloten. Die Linksfraktion dagegen sieht das Vorhaben kritisch: Die Binnenalster zu verkleinern und das historische Stadtbild zu zerstören sei eine sehr schlechte Idee.

Bürgermeister sieht Alster-Flaniermeile skeptisch

Bürgermeister Peter Tschentscher dämpfte die Erwartungen bei seinem Besuch des Verbandes: „Vieles, was auf ersten Animationen schick aussieht, muss in der Realität nicht auch schick sein.“ Die Binnenalster sei der sensibelste Punkt Hamburgs, hier dürfe man sich keine Irrtümer erlauben. „Wenn das eine Rummelmeile werden würde, wird man dies uns Verantwortlichen vorhalten.“ Begeisterung für das Projekt klingt anders.

Was also kann die Stadt konkret tun? Vorschläge für die Innenstadt, die „Visitenkarte“, die hatte der Bürgermeister schon im Gepäck. Der Einzelhandel solle weiter auf einen gesunden Branchenmix setzen, der Gastronomie, Freizeitangebote und Geschäfte miteinander koppelt: „Die Innenstadt darf nicht zu einem einzigen ‚food court‘ werden.“

Der Strukturwandel sei natürlich da, aber der Einzelhandel solle sich auf seine Stärken konzentrieren, auf die persönliche Beratung, die sofortige Verfügbarkeit der Produkte, den Überraschungseffekt, bei einem Einkaufsbummel auf ein inspirierendes Geschäft zu stoßen. So weit, so erwartbar.

Mehr Sauberkeit und bessere Anfahrtswege

Gleichzeitig skizzierte Tschentscher auch die Möglichkeiten der Stadt – und deren Grenzen: „Wir können die Straßen bauen, auf denen die Kunden laufen. Aber an den Türen der Geschäfte enden unsere Einflussmöglichkeiten.“ Was die Behörden tun können: das Ambiente rund um die Innenstadt aufhübschen und die Transportwege für die potenziellen Kunden so einladend wie möglich machen.

Ende Oktober hatte der Senat entschieden, seine Plätze attraktiver zu gestalten und dafür zehn Millionen Euro in die Hand zu nehmen. Der Gerhart-Hauptmann-Platz und der Ida-Ehre-Platz sind wohl mit die prominentesten Plätze. Die Blickachse zur Binnenalster soll wieder stärker sichtbar werden, auch durch die Trimmung der Bäume. Es sollen Orte zum Verweilen entstehen, die sauber und einladend wirken.

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Das gelte auch für den Hauptbahnhof, sagte Tschentscher, ebenfalls eine dieser Visitenkarten der Stadt, der aber längst an seine Grenzen stoße. Hier brauche es mehr Platz, andere Zugänge zu den Gleisen und kontinuierlich Sauberkeit. Es sind kosmetische Veränderungen an vielen Ecken, die Tschentscher anspricht, Grund zum Alarmismus sieht er nicht.

Ist die Lage überhaupt so schlecht?

Und tatsächlich, über die vermeintliche Verödung der Hamburger Innenstadt kann man geteilter Meinung sein, manche Kunden dürften die Innenstadt eher wegen der Menschenmassen meiden. Konkrete Zahlen, die einen eklatanten Besuchereinbruch belegen, liefert der Innenstadtverband an diesem Tag nicht, die Datenlage ist generell dürftig.

Das Unternehmen Hy Street, eine Tochter der Kapitalverwaltungsgesellschaft Aachener Grundvermögen, misst täglich in vielen deutschen Städten, wie viele Passanten sich in Innenstädten aufhalten. Diese Passantenfrequenz, die durch Laserscanner, die an Hauswänden angebracht sind, gemessen wird, ist ein wichtiger Indikator für die Attraktivität einer Innenstadt. Hier liegt Hamburger mit der Spitalerstraße am gestrigen Dienstag nur auf Platz 5, hinter München, Köln, Hannover und Dortmund.

In einer Studie des Unternehmens für Gewerbeimmobilien JLL, das die Passantenfrequenz in Innenstadtlagen an einem Tag diesen April per Hand zählte, landete die Frankfurter Zeil auf Platz 1, Hamburg fiel aus den Top-Ten. Doch auch dies sind Momentaufnahmen, die stark von äußeren Faktoren abhängig sind: In Frankfurt spielte das Wetter an diesem Tag mit, in Hamburg nicht. „Die Zentren der Metropolen stehen weiter im Fokus der großen Einzelhandelsunternehmen, hier wollen alle ihre Läden haben“, sagt Geschäftsführerin Brigitte Nolte vom Handelsverband Nord. Die Frequenz der Kunden hänge stark vom Wetter oder der guten Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Nahverkehr ab.

wold

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