Finanzbranche
Hochrisikokredite: Dissonanzen im Schuldenturm

Der Markt für Hochrisikokredite wächst rasant. Doch das gefällt nicht allen.

Daniel Zulauf
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Auch die CS ist besonderen Risiken ausgesetzt, hier die New Yorker Filiale.

Auch die CS ist besonderen Risiken ausgesetzt, hier die New Yorker Filiale.

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Wer auf den Finanzmärkten Geld verdienen will, muss dafür entsprechende Risiken eingehen. Das Grundprinzip des Investierens wird in diesen Zeiten stark strapaziert. Denn die expansive Geldpolitik der Notenbanken sorgt dafür, dass sich auch relativ wacklige Schuldner zu vergleichsweise tiefen Zinsen finanzieren können. Das Phänomen treibt Behörden und Kreditanalysten schon seit geraumer Zeit um. Seit Anfang Oktober, als die Kursschwankungen an den Börsen heftiger wurden, hat es weiter an Virulenz gewonnen.

Standard & Poor’s (S&P), eine der einflussreichsten Kreditbewertungsagenturen, beschreibt in einem diese Woche veröffentlichten Papier «die sechs Schlüsselrisiken», die Finanzunternehmen und mit ihnen auch die international tätigen Banken im boomenden Geschäft mit gehebelten Unternehmensfinanzierungen eingehen. Gemeint sind vor allem Kredite für Firmenübernahmen durch sogenannte Private-Equity-Firmen. Die mit Private Equity finanzierten Firmen weisen typischerweise eine hohe Verschuldung auf, die sie über die im laufenden Geschäft zu erarbeitenden Geldmittel (Cashflow) bedienen beziehungsweise abtragen müssen.

Beispiellose Expansion

Die Schulden belasten nicht nur die Firmen selber. Sie stellen auch ein Risiko für ihre Gläubiger dar und bergen Risiken für die Banken, welche die Finanzierungen organisieren. Bleiben die Schulden am Ende an diesen Gruppen hängen? Vor Jahresfrist hatten die S&P-Analysten just diese Frage in den Raum gestellt – im Wissen, dass sie mit Blick auf die beispiellose Expansion des zugrundeliegenden Marktes von einiger Brisanz war.

Ein Jahr später stellen die Analysten nüchtern fest: Der Markt ist noch grösser geworden und er hat sich weiter aufgebläht. Das weltweite Volumen für sogenannte «Leveraged Loans» erreichte Ende September im wichtigen US-Markt 1,1 Billionen Dollar. Das sind 140 Milliarden Dollar mehr als Ende 2017 und fast doppelt so viel wie vor zehn Jahren – unmittelbar nach Beginn der Finanzkrise. Dabei hat der Anteil der Kredite mit schlechter Schuldnerbonität («Ramsch») deutlich zugenommen.

Erinnerungen an die Finanzkrise

Sorgen bereitet den Analysten auch der Umstand, dass der Kreditboom Hand in Hand mit einer Lockerung der Finanzierungsbedingungen geht. Die sogenannten «Covernants», die Klauseln in den Kreditverträgen, welche die Kreditbedingungen zum Schutz der Gläubiger regeln, wurden in den vergangenen Jahren zunehmend zugunsten der Schuldner angepasst. Claudio Borio, Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, stellte im September rückblickend auf die erste Jahreshälfte fest: «Das Absatzvolumen dieser Kredite war gross, weil die Banken viele kauffreudige Anleger dafür fanden. Ein Teil wurde auch über sogenannte Collateralised Loan Obligations abgesetzt. Dies sind enge Verwandte der berüchtigten hypothekenunterlegten Collateralised Debt Obligations, die während der grossen Finanzkrise Schlagzeilen machten.»

Die BIZ ist die Stimme der Notenbanken, und so gesehen gehört das Warnen zu ihrem Geschäft. Doch niemand wird BIZ-Chefökonom Borio widersprechen können, wenn er die Risiken der hohen Verschuldung anspricht. «Gemessen am BIP ist die Gesamtverschuldung des privaten und des öffentlichen Sektors weltweit bedeutend höher als vor der Krise. Ironischerweise war Überschuldung ein zentraler Faktor der Krise, und jetzt ist die Verschuldung noch höher.»

S&P sieht die Wall-Street-Banken, unter ihnen auch die Credit Suisse, besonderen Risiken ausgesetzt – vor allem, wenn sich die Konjunktur abschwächt und die Schuldner grössere Mühe bekunden, ihre Kredite zu bedienen. Doch von diesem Risiko will man in der Branche noch gar nichts wissen. Für den Platzhirsch JP Morgan hätten die Anleger, die in den vergangenen Wochen viel Geld aus Leveraged-Loan-Fonds abgezogen haben, einfach «etwas übertrieben». Von der Credit Suisse heisst es, man steuere das Geschäft im Rahmen des Risikomanagements und innerhalb klar definierter Regeln. Gewachsen ist die Zuversicht der Investoren freilich nicht. Seit Anfang Oktober, als die Kursausschläge an den Börsen grösser wurden, haben die Credit-Suisse-Aktien fast 20 Prozent ihres Wertes verloren.