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Wirtschaft Tiefbau-Boom

Deutschlands wahres Breitband-Problem

Wirtschaftsredakteur
Kabelbündel aus Glasfaserkabeln vor einer sogenannten Speedpipe (Leerrohr) für ein Glasfasernetzwerk: Tiefbauer sind gefragt – und teuer Kabelbündel aus Glasfaserkabeln vor einer sogenannten Speedpipe (Leerrohr) für ein Glasfasernetzwerk: Tiefbauer sind gefragt – und teuer
Kabelbündel aus Glasfaserkabeln vor einer sogenannten Speedpipe (Leerrohr) für ein Glasfasernetzwerk: Tiefbauer sind gefragt – und teuer
Quelle: picture alliance/dpa
Deutschlands Breitbandziele sind kaum zu erreichen, weil es schlichtweg zu wenige Firmen gibt, die die notwendigen Glasfaserkabel verlegen können. Die Bundesregierung streitet das zwar ab. Eine Studie allerdings belegt die wahre Not.

Deutschland droht sein Ziel, in den nächsten sieben Jahren alle Haushalte mit Glasfaser zu versorgen, deutlich zu verpassen. Sollte es keine grundlegenden Änderungen geben, „besteht die Gefahr, das nur maximal die Hälfte aller deutschen Haushalte bis 2025 mit direkten Glasfaseranschlüssen versorgt werden können“, sagte Iris Henseler-Unger, Chefin des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (Wik).

Grund dafür seien vor allem begrenzte Kapazitäten im Tiefbau. Denn um Glasfaser bis in die Häuser zu verlegen, müssen Straßen und Wege geöffnet und es muss gebuddelt werden.

Im Auftrag des Bundesverbands Breitbandkommunikation (Breko) hat das Wik nun die Situation in Deutschland untersucht und die Ergebnisse in einer Studie festgehalten, die WELT exklusiv vorliegt. Demnach sind die Breitbandziele ohne Maßnahmen gegen Engpässe bei Tiefbaufirmen nicht zu erreichen.

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Tatsächlich ist der Tiefbau ausschlaggebend beim Ausbau eines Glasfasernetzes. 80 bis 90 Prozent der Kosten entfielen darauf, vor allem auf Maschineneinsatz, Personal und Material, heißt es in dem Gutachten. Deswegen wirkten sich Verzögerungen und Kostensteigerungen beim Tiefbau auch erheblich auf Glasfaserausbauprojekte aus.

Die Bundesregierung hingegen sieht keinen Engpass bei Tiefbaukapazitäten für den Breitbandausbau. Ein Spitzengespräch mit Vertretern der deutschen Bauindustrie und Telekommunikationswirtschaft im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) habe „keine generellen Rückschlüsse auf mögliche Engpässe“ ergeben, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, die WELT ebenfalls vorliegt.

Keine eigenen Erkenntnisse bei der Regierung

Auch über steigende Preise will die Bundesregierung keine Informationen haben, obwohl es kein Telekommunikationsunternehmen gibt, das diese Entwicklung nicht beklagt. „Bisher liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse über Marktpreissteigungen im Tiefbaubereich vor“, heißt es in ihrer Antwort.

Die Wik-Studie zeigt nun das Gegenteil. In den vergangenen zwei Jahren seien die Baukosten um ein Drittel gestiegen, so stark wie in den sieben Jahren davor. Die für das Gutachten befragten Experten berichten, dass es bei einzelnen Glasfaser-Ausbauprojekten zu Preissteigerungen von bis zu 50 Prozent und mehr gekommen sei. Telekommunikationsunternehmen mit langfristigen Verträgen seien von diesen Preissteigerungen weniger betroffen. „Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Kostensteigerungen bei Neuvertragsabschlüssen deutlich höher liegen.“

Doch die Kosten sind nicht das einzige Problem. „Geld allein kann flächendeckende Glasfaser nicht herbeizaubern“, sagte Breko-Geschäftsführer Stephan Albers im Gespräch mit WELT. Durch die Vielzahl der Breitbandförderprogramme hätten sich die ohnehin schon begrenzten Tiefbauressourcen in Deutschland weiter reduziert und die Tiefbaupreise gleichzeitig deutlich erhöht, sagte Albers. Es gebe zur Zeit sehr viele Ausbauprojekte in Deutschland, die bereits eine Förderzusage erhalten hätten – bereits fertig ausgebaut seien bislang aber nur die wenigsten von ihnen.

Tatsächlich haben Unternehmen große Schwierigkeiten, überhaupt Tiefbauer zu beauftragen. Die Deutsche Glasfaser sucht ihre Partner für den Tiefbau im Ausland, ebenso die Deutsche Telekom, die dafür sogar Verträge in China abschließt. Der Nachholbedarf an Glasfaseranschlüssen in Deutschland ist groß. Nach Angaben des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) sind derzeit etwa 3,4 Millionen Haushalte in Reichweite einer Glasfaser, auch wenn die wenigsten von ihnen auch tatsächlich angeschlossen sind.

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Jährlich kommen zurzeit den Zahlen zufolge etwa 500.000 Haushalte hinzu. Die Deutsche Telekom hatte bereits angekündigt, ab 2021 jährlich zwei Millionen neue Haushalte direkt an die Glasfaser anschließen zu wollen. Dazu baut das Unternehmen eine „Glasfaserfabrik“ auf, denn ohne strikte Standardisierung ist das kaum zu machen.

Um hier Erleichterung zu bringen, schlägt die Wik-Studie unter anderem alternative Verlegetechniken vor, sodass Glasfaserleitungen nicht unbedingt in mehr als einem Meter Tiefe verlegt werden müssen. Dies sei auch in zehn bis 30 Zentimeter möglich oder eben oberirdisch. Außerdem sollten die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen bei Tiefbauunternehmen ausgebaut werden.

„Die fehlenden Kapazitäten und steigenden Kosten im Tiefbausektor verlangsamen den Breitbandausbau zusehend“, kritisiert Oliver Luksic, Sprecher für Verkehr und Infrastruktur der FDP-Bundestagsfraktion. „Statt den Ausbau voranzutreiben, hat die Bundesregierung laut eigener Aussage keine Kenntnisse über Kostensteigerungen und hofft unrealistischerweise auf wachsende Kapazitäten im Bausektor, um ihren eigenen Zeitplan zu erfüllen.“

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