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Immobilien Grundsteuer-Reform

Olaf Scholz‘ unmögliches Versprechen

Leitender Redakteur Immobilien
Scholz - „Keine höheren Mieten durch Grundsteuer-Reform“

Durch die Reform der Grundsteuer sieht Scholz keinen Anlass für Mietsteigerungen. "Wir versuchen, das System der Besteuerung von Grundbesitz so zu verändern, dass es nicht zu mehr Belastungen für die Mieterinnen und Mieter, für die Bewohner, kommt."

Quelle: WELT

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Der Finanzminister will mit einer neuen Grundsteuer die Bürger nicht stärker belasten. Dafür hat er sich die komplizierteste Variante ausgedacht, die es geben könnte. Doch dahinter könnte auch einfach ein Trick stecken.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz will im Zuge der Reform der Grundsteuer eine höhere Belastung von Mietern und Eigentümern vermeiden. „Wir versuchen, das System der Besteuerung von Grundbesitz so zu verändern, dass es nicht zu mehr Belastungen für die Mieterinnen und Mieter, für die Bewohner, kommt“, sagte der SPD-Minister am Mittwoch kurz vor ersten Gesprächen mit seinen Kollegen aus den Ländern.

„Das geht auch mit den Vorschlägen, die wir entwickelt haben.“ In den geplanten Berechnungsmodellen werde dafür gesorgt, dass die höhere Bewertung von Grundstücken und Gebäuden am Ende nicht auf die Grundsteuerlast durchschlage.

„Das Ergebnis wird dann also sein, dass wir das Steueraufkommen, das die Gemeinden heute aus der Grundsteuer haben, nicht erhöhen“, versprach er. Das sei wichtig auch in Hinblick auf Mieter sowie die Nutzer eigener Immobilien. „Die Diskussionen beginnen jetzt..., aber ich bin überzeugt, dass wir das hinbekommen werden.“

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Dabei könnte der Finanzminister einen erstaunlichen Schachzug vorbereitet haben, um seine Länderkollegen auf Linie zu bringen. Denn am Ende könnte es notwendig werden, das Grundgesetz zu ändern – und dafür braucht der Bund die Zustimmung der Länder.

Beim Treffen der Landesfinanzminister mit Scholz ging es zunächst um zwei alternative Vorschläge für eine Reform der Grundsteuer, die für 36 Millionen Wohnungen, Gebäude und Grundstücke gilt und Städten und Gemeinden jedes Jahr rund 14 Milliarden Euro einbringt.

Mega-komplizierte Berechnungsmethode

Für welches Modell sich Bund und Länder entscheiden, steht noch nicht fest. Allen Akteuren war jedoch wichtig, dass das Steueraufkommen möglichst gleich hoch bleibt und die Kommunen durch die Reform nicht etwa geringere Einnahmen erzielen als bisher.

Experten und Beobachter waren sich im Vorfeld sicher, dass Scholz zunächst die kompliziertere der beiden Varianten ansteuern würde. Denn das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber beim Urteil gegen das jetzige System dazu verpflichtet, die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Immobilien bei der künftigen Besteuerung zu berücksichtigen.

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Das jedoch gelingt nur, wenn man auf dem einen oder anderen Weg eine Bewertung der Häuser und Wohnungen vornimmt. Was in den vergangenen Jahrzehnten nie stattgefunden hat. Hier hat Scholz, nach allem, was bisher bekannt ist, das aufwendigste aller Verfahren zusammengestellt: eine Kombination aus wirtschaftlicher Ertragskraft, Grundstücksfläche und Baujahr von Wohngebäuden.

Zunächst bliebe es demnach beim jetzigen Berechnungsweg, bei dem die Einheitswerte von Immobilien mit einer Steuermesszahl und dem kommunalen Hebesatz multipliziert werden. Das hätte immerhin den Charme, dass man dafür das Grundgesetz nicht ändern müsste. Weil die Verfassungsrichter speziell den Einheitswert bemängelt hatten, müsste man tatsächlich auch nur diesen ändern.

Erhebungskosten für die neue Steuer werden erheblich

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Und da hat der Finanzminister offenbar tief in die Mathe-Kiste gegriffen. In die Berechnung des Einheitswerts könnten künftig die Nettokaltmiete, die Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und Bodenrichtwert einfließen.

Die Daten dafür hat der Fiskus freilich immer noch nicht – wie auch, wenn schon die einfachen Gebäudewerte seit Jahrzehnten veraltet sind. Die aktuellen Daten sollen deshalb Eigentümer und Vermieter liefern und zwar in Form von Steuererklärungen Anfang 2020. Die Miete könnte anhand des Mikrozensus des Statistischen Bundesamts ermittelt werden – eventuell auch anhand von Wohngeldtabellen.

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Allein das zeigt schon: Die neue Grundsteuer wird aufwendig. Vielleicht sogar so aufwendig, dass die Erhebungskosten einen guten Teil der Steuereinnahmen ausmachen. Doch es geht noch weiter. Denn spätestens, wenn auch die Wohnfläche herangezogen wird, gibt es Streit, sagt Dirk Löhr, Professor für Steuerlehre an der Hochschule Trier: „Wenn ein Mieter es darauf anlegt – und die Grundsteuer weiter umgelegt wird – könnte er den Vermieter verklagen und die Neuberechnung der Wohnfläche verlangen.“

Selbst die Ermittlung des Baujahrs ist streitanfällig, dann allerdings zwischen Eigentümer und Finanzamt. Denn steuertechnisch ist das Entstehungsjahr nicht das Baujahr. „Es gibt 1880 erbaute Immobilien, die heute in einem hervorragenden Zustand sind aufgrund der Renovierungen.

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Umgekehrt gibt es auch 1980 erbaute Immobilien, die in einem miserablen Zustand sind wegen unterlassener Instandhaltung. Bewertungssachverständige stellen deswegen häufig auf wirtschaftliche Restnutzungsdauern ab“, sagt Löhr.

Finanzämter dürften überfordert sein

Spätestens hier dürften die meisten Finanzämter wegen Überforderung aussteigen. Oder Jahre brauchen, um die neuen Einheitswerte zu ermitteln. Hier hat Karlsruhe aber eine Frist gesetzt bis zum Jahr 2025. „Das Modell ist sehr aufwendig und bürokratisch“, sagt Michael Voigtländer, Immobilienökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

„Es orientiert sich von der Belastung her nah am jetzigen Modell. Dies ist wahrscheinlich der Grund für den Vorschlag.“ Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Weil eben doch der wirtschaftliche Wert einer Immobilie berücksichtigt werden muss, läuft das System zwangsläufig darauf hinaus, dass teure Immobilien stärker besteuert werden als billigere.

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„Die Folge wäre ein teilweise erheblicher Anstieg der Grundsteuer gerade dort, wo die Mieten in den letzten Jahren gestiegen sind: In den Metropolen und Ballungszentren“, sagt Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilien-Branchenverbands IVD. „Strukturschwächere Gemeinden wiederum werden geringere Grundsteuereinnahmen durch höhere Hebesätze zu kompensieren versuchen.“ Denn verzichten – das wird wohl keine Gemeinde wollen.

Für Steuervereinfachung muss das Grundgesetz geändert werden

Wenn Scholz also sein Versprechen wirklich halten will, Mieter und Eigentümer nicht stärker zu belasten als bisher, muss er irgendwie dafür sorgen, dass die Bewohner zentraler Lagen nicht dafür bestraft werden, dass sie in teuren Häusern leben. Das könnte mit der Alternative funktionieren, einer Kombination aus einer einfachen Berechnung von Wohnfläche und Bodenwert. Letztere liegt immerhin den Gutachterausschüssen vor und müsste nicht neu ermittelt werden.

Manche Experten glauben deshalb, dass Scholz diesen Vorschlag erst dann auf den Tisch legt, wenn alle merken, dass es nicht anders geht. Für diesen Alternativvorschlag müsste das Grundgesetz geändert werden. Wenn man aber die Landesfinanzminister lange genug mit der Vorstellung von überforderten Finanzämtern konfrontiert, könnte das sogar funktionieren. Ein Experte sagte im Vorfeld der Sitzung am Abend: „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.“

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