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Deutschland wird Jobabbau hart treffen

Wirtschafts-Korrespondentin
Bei Bayer droht nach dem Ärger um Glyphosat die nächste Schocktherapie. Der Konzern will sich von Unternehmensteilen trennen

Es war ein Schock mit Vorankündigung. Immer wieder war in den vergangenen Wochen darüber spekuliert worden, dass der in die Defensive geratene Bayer-Konzern Teile des Unternehmens verkaufen und Stellen abbauen könnte. Jetzt ist aus der Spekulation Gewissheit geworden.

Der Leverkusener Konzern plant Milliardenabschreibungen und will bis 2021 rund 12.000 seiner insgesamt 118.200 Stellen abbauen. Damit steht jede zehnte Stelle zur Disposition. Ein „signifikanter Teil“ des Abbaus werde Deutschland betreffen, teilte Bayer nach der Sitzung des Aufsichtsrates am Donnerstag mit. Betriebsbedingte Kündigungen solle es aber bis Ende 2025 nicht geben.

„Die geplanten Maßnahmen haben nichts mit unserer jüngsten Übernahme von Monsanto zu tun und nichts mit der Debatte um Glyphosat“, stellte Konzernchef Werner Baumann gleich zu Beginn der kurzfristig einberufenen Telefonkonferenz klar. „Mit den Maßnahmen, die wir jetzt angehen, schaffen wir die Voraussetzung, um die Performance und Ertragskraft von Bayer nachhaltig zu steigern“, warb er stattdessen für das harte Sparprogramm. „Damit sind wir als Lifescience-Unternehmen bestmöglich für die Zukunft aufgestellt.“

Baumanns Plänen zufolge sollen die geballten Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns steigern und inklusive der erwarteten Synergien aus der Monsanto-Übernahme von 2022 an jährliche Erträge in Höhe von 2,6 Milliarden Euro generieren. Die Börse reagierte dennoch vergrätzt auf die Nachricht. Die Bayer-Aktie gab zwischenzeitlich bei hohen Umsätzen um mehr als ein Prozent auf 63,50 Euro nach. Vor allem die angekündigten außerplanmäßigen Abschreibungen in Höhe von 3,3 Milliarden Euro im vierten Quartal sorgten unter Investoren offenkundig für Irritationen.

In den vergangenen Monaten waren die Zweifel daran, dass Bayer wirklich noch auf dem richtigen Kurs ist, enorm gewachsen. Der Konzern sieht sich seit der Übernahme des US-Konzerns Monsanto einer wachsenden Zahl von Klagen gegen Monsantos Umsatzbringer Glyphosat gegenüber. Das Unkrautgift steht im Verdacht, Krebs beim Menschen auszulösen. Der Konzern weist das zurück und hat bereits angekündigt, sich gegen die Vorwürfe entschieden zur Wehr setzen zu wollen. Angesichts der großen Unsicherheit über den Fortgang der Klagewelle hatte die Bayer-Aktie allein seit dem Sommer dieses Jahres rund ein Drittel an Wert eingebüßt.

Doch auch das Pharmageschäft, bisher die Vorzeigesparte von Bayer, zeigte zuletzt überraschend Schwächen, was den Aktienkurs weiter belastete. Nun will der Konzern gegensteuern. Der Bereich Tiermedizin, der ohnehin viel zu klein ist, um weltweit eine Spitzenposition einnehmen zu können, soll verkauft werden. Ein Spezialbetrieb in Wuppertal zudem geschlossen werden.

Noch umfangreicher sind die Maßnahmen im Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten. Die sogenannte Consumer-Health-Sparte, zu der auch Dauerbrenner wie Aspirin oder der Säurehemmer Rennie gehören, steckt seit Längerem in der Krise. Ursprünglich hatte Bayer mit der Sparte Großes vor und deshalb für viel Geld im Jahr 2014 weite Teile des Geschäfts des US-Konzerns Merck übernommen. Doch gleich mehrere der teuer bezahlten Produkte erwiesen sich nicht etwa als Umsatzbringer, sondern als hochgradig angeschlagene Marken, in die Bayer über Jahre hinweg viel Geld gesteckt hat.

Nun zieht Vorstandschef Baumann die Reißleine. Die Sonnenschutz-Linie Coppertone und die Fußpflegemittel der Marke Dr. Scholl’s sollen verkauft werden, der gesamte Bereich wird neu organisiert. Insgesamt sollen im Consumer-Health-Bereich dadurch rund 1100 Stellen wegfallen.

Der Aufsichtsrat habe die entsprechenden Pläne des Vorstands „einstimmig“ abgesegnet, hieß es weiter. Wie bereits in der Vergangenheit angekündigt, wird die Zusammenlegung des Agrochemiegeschäfts von Bayer und Monsanto zum Wegfall von insgesamt 4100 Stellen führen. Vorgesehen ist zudem der Abbau von rund 900 Arbeitsplätzen in der Pharma-Forschung. Davon entfallen allein 350 Stellen im Zusammenhang mit der Schließung eines sogenannten Faktor-VIII-Betriebs in Wuppertal. Weitere 5500 bis 6000 Arbeitsplätze sollen bei den übergreifenden Konzern- und Querschnittsfunktionen abgebaut werden.

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Darüber hinaus führe Bayer Gespräche über eine Veräußerung seines 60-prozentigen Anteils am deutschen Standortdienstleister Currenta. Nach der erfolgreichen Trennung von Covestro stehe die Nutzung der Dienstleistungen von Currenta in keinem Verhältnis mehr zum Besitzanteil von Bayer, teilte der Konzern dazu mit.

„Mit diesen notwendigen Anpassungen werden wir in Zukunft noch schlagkräftiger und agiler“, sagte Baumann. Gleichzeitig sei Bayer sich der Tragweite der Entscheidungen für die Mitarbeiter bewusst und werde die geplanten Maßnahmen „fair und verantwortungsvoll“ umsetzen. Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertreter verständigten sich demnach in einer gemeinsamen Erklärung auf eine neue Vereinbarung zur „Zukunftssicherung Bayer 2025“. Demnach sind betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland bis Ende 2025 grundsätzlich ausgeschlossen. Über den Umfang des Personalabbaus in einzelnen Standorten könnten derzeit allerdings noch keine konkreten Angaben gemacht werden.

Das dürfte in der kommenden Woche nicht anders sein. Dann wird fast der gesamte Bayer-Vorstand auf einer Kapitalmarktkonferenz in London Investoren und Fondsmanagern Rede und Antwort stehen. Der Termin ist schon lange geplant. Nach der heutigen Nachricht dürfte die Zahl der Fragen an das Bayer-Management nicht eben kleiner geworden sein.

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